Die Renaissance des Sandsacks

Während sich die Hochwassersituation an Rhein und Mosel langsam entspannt, steigen die Pegel des Mains und in Sachsen-Anhalt weiter. Wertheim, Halle, Bernburg und Kallmünz besonders betroffen. Höchststände werden heute Mittag erwartet

aus Halle und Berlin NICK REIMER

Ein arbeitsreiches Wochenende für Feuerwehrleute: Nach Angaben des Deutschen Feuerwehrverbandes waren bundesweit insgesamt 43.000 Feuerwehrleute im Einsatz. Mal wieder wegen Hochwassers. Zum Beispiel in Saalekreis bei Halle: Dort hat die Kabelske, eigentlich ein kleines Rinnsaal, Teile der Ortschaft Gröbers von der Außenwelt abgeschnitten.

Die Kabelske mündet in den Reidebach, der in die Weiße Elster fließt, die wiederum bei Halle die Saale speist. Die hatte am Wochenende mit Bildern aus ihrem Oberlauf für Furore gesorgt: Im thüringischen Ort Leubingen hatten 1.300 Menschen einen Deich aus einer viertel Million Sandsäcken gebaut und so die Fluten des Saale-Zuflusses Unstrut zurückgehalten. Allerdings musste dennoch ein Teil der Bewohner des 1000-Seelen-Ortes evakuiert werden. Erst der Einsatz von Bundesgrenzschutz-Hubschraubern, die Sandsäcke abwarfen, stabilisierte den Damm. Nach Angaben des Thüringer Umweltministeriums blieb die Unstrut knapp unter ihrem historischen Höchststand von 1947.

Während sich die Lage im Saale-Oberlauf entspannte, sprach Ursula Rothe gestern Nachmittag von einer „dramatischen Zuspitzung“ im Unterlauf. Die Krisenstabssprecherin des Landkreises Bernburg: „Die Saale steht bei 5,46 Meter und steigt jetzt schneller an.“ Normal seien 2,60 Meter. Bislang sei es Technischem Hilfswerk und den Feuerwehrleuten mit Sandsackdämmen gelungen, eine großflächige Überschwemmung der Kreisstadt zu verhindern. Bisher, denn in Halle stand der Pegel am Mittag bei 6,45 Meter – viermal höher als normal.

Entspannung dagegen an Rhein und Mosel. Nachlassende Niederschläge und der geringere Zufluss aus den Nebenflüssen verhinderte dort ein weiteres Anschwellen. „Wir sind mit dem blauen Auge davongekommen. Die Altstadt ist gerettet“, so ein Sprecher der Kölner Hochwasserzentrale. Der Pegel war am Mittag auf 9,60 Meter gefallen. Bei der letzten großen Flut 1995 führte der Rhein 10,60 Meter Wasser, das schwere Schäden in der Kölner Altstadt anrichtete. Diesmal waren „nur“ Stadtviertel im Kölner Süden überflutet.

Keine Entwarnung dagegen am Main: Teile der historischen Altstadt von Wertheim am Zusammenfluss von Main und Tauber standen teilweise zwei Meter unter Wasser. Insgesamt waren 1.000 Menschen in der 25.000 Einwohner zählenden Stadt betroffen. Der Höchststand wird heute Mittag erwartet. Besonders hart hat es Kallmünz nahe Regensburg getroffen. Der Naab-Pegel erreichte 5,20 Meter – normal sind 1,50 Meter. Viele Einwohner waren eingeschlossen.