vorlauf bühne Esther Slevogt betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

„Fleisch! O mein Gott! Dass wir das noch erleben können!“, entfährt es nicht etwa dem arbeitslosen Vertreter Willy Loman, den Arthur Miller einst den berühmten „Tod eines Handlungsreisenden“ sterben ließ, sondern dem hungrigen Sol Roth alias Edward G. Robinson in Richard Fleischers (sic!) Science-Fiction-Klassiker „Soylent Green“ von 1973. Schauplatz ist das New York des Jahres 2022: 40 Millionen Einwohner, die Hälfte davon arbeitslos, Erde kaputt und Katastrophe total. In einem staatlichen Euthanasiezentrum können sich Menschen töten lassen, was nicht nur aus humanitären Gründen sinnvoll, sondern auch ernährungstechnisch interessant ist. Denn das Euthanasiezentrum ist gleichzeitig fleischverarbeitender Betrieb, das Selbstmörder in die Nahrungskette der hungernden Stadt einspeist. „Du bist Geld!“, schließt René Pollesch aus dieser durchökonomisierten Form des Suizids. „Soylent green ist Menschenfleisch, sagt es allen weiter!“ heißt der neue Pollesch-Abend im Prater der Volksbühne, und diesmal spielen sogar Männer mit (Premiere Donnerstag). Doch auch Willy Loman werden wir in dieser Woche auf einer Berliner Bühne begegnen. Vier Millionen Arbeitslose, da sind schließlich nicht bloß die Regierenden, sondern auch die Theater zum Handeln aufgerufen. Millers Handlungsreisender wird schon morgen auf der Bühne des Deutschen Theaters sterben (Regie: Dimiter Gotscheff). Am Ort seiner Uraufführung 1906, nämlich den Kammerspielen des DT, inszeniert Ulrich Matthes Frank Wedekinds Pubertätsdrama „Frühlings Erwachen“ (Premiere Freitag). Im Maxim Gorki Theater wird am Sonntag ein Karl-Valentin-Abend Premiere haben: „Wer leiht jungem Sänger ein altes Lied zum Singen?