Der Chef soll der Chef werden

Klaus Wowereits SPD möchte per Verfassungsänderung Richtlinienkompetenz für den Regierenden Bürgermeister. Dabei entfiele die für Senatoren oft peinliche Einzelwahl

Die SPD plant eine Änderung der Berliner Landesverfassung, um die Position des Regierenden Bürgermeisters zu stärken. In einem Gesetzesentwurf, den Fraktionschef Michael Müller den sozialdemokratischen Abgeordneten heute vorlegen wird, geht es im Wesentlichen um drei Änderungen. Erstens: Der Regierende soll die so genannte Richtlinienkompetenz bekommen. Bisher gilt die Mehrheitsentscheidung des Senats als letzte Instanz. Zweitens: Der Regierende soll künftig seine Senatoren ernennen können. Bisher müssen nicht nur der Regierende, sondern alle seine Senatoren einzeln vom Abgeordnetenhaus in geheimer Abstimmung bestätigt werden. Drittens: Der neue Gesetzentwurf sieht die Einführung des so genannten konstruktiven Misstrauensvotums vor. Dies bedeutet, das Abgeordnetenhaus kann einem Regierenden nur dann das Vertrauen entziehen, wenn sich die Mehrheit auf einen Nachfolger einigen kann. Dies entspricht bundesrepublikanischer Praxis.

Die von Müller initiierte Gesetzesänderung hat große Chancen die im Parlament für eine Verfassungsänderung notwendige Zweidrittelmehrheit zu erreichen. Der Koalitionspartner PDS, aber auch die Oppositionsfraktionen CDU und FDP signalisierten bereits Zustimmung. In der SPD erwägt man bereits, die Änderung schon vor 2006 wirksam werden zu lassen. Normalerweise ist es sehr ungewöhnlich, die Verfassung in einer Legislaturperiode zu ändern. Die Grünen sind gegen eine Neuregelung mit dem Argument, es handele sich „lediglich um Symbolik“.

Im politischen Tagesgeschäft nimmt Klaus Wowereit tatsächlich kaum Rücksicht auf die bisherige besondere Berliner Verfassungssituation. Richtlinienkompetenz reklamiert Wowereit ganz selbstverständlich für sich, etwa wenn er Vorlagen von Senatoren als „ungenügend“ zurückweist und im Senat nicht zur Abstimmung stellt. Im Parlament widersprach Wowereit in den letzten Haushaltsberatungen seinem Finanzsenator Thilo Sarrazin (SPD) und stellte „für den Senat“ klar, der Haushalt sei nicht verfassungswidrig.

Auch die Abwahl Eberhard Diepgens (CDU) erfolgte an das Verfahren eines konstruktives Misstrauensvotums angelehnt: Unmittelbar anschließend wählten SPD, PDS und Grüne Wowereit zum Nachfolger.

Die wichtigste Veränderung wäre somit der Verzicht auf die geheime Einzelwahl aller Senatoren. Diese Berliner Besonderheit stärkte den einzelnen Abgeordneten, erzog ihn aber gleichzeitig zur Unverantwortlichkeit: Über Gegenstimmen konnte man einzelnen Führungsleuten öffentlich schaden, ohne dafür anschließend geradestehen zu müssen. Zuletzt verfehlte Stadtentwicklungssenator und SPD-Chef Peter Strieder die notwendige Mehrheit im ersten Wahlgang. ROBIN ALEXANDER