Tausche Moorburg gegen Möbelhaus

Die grüne Hamburger Umweltsenatorin Anja Hajduk wird das umstrittene Kohlekraftwerk Moorburg offenbar genehmigen. Ein Deal mit der CDU: Dafür wird der Bau eines Möbelhauses verhindert. Und ein zentrales Wahlversprechen gebrochen

Vattenfall plant in Moorburg ein Steinkohlekraftwerk mit 1.640 Megawatt Leistung. Damit würde eines der größten Kohlekraftwerke Deutschlands mitten in Hamburg entstehen. Zum Vergleich: das Atomkraftwerk Krümmel hat eine elektrische Leistung von 1.402 Megawatt. Aus Sicht des Stromkonzerns ist der Standort für das geplante Kraftwerk besonders geeignet, weil er an einem Elbarm liegt. Der Brennstoff kann mit Seeschiffen direkt angeliefert werden. Das Flusswasser sorgt für eine billige Kühlung und die Nähe der Großstadt erlaubt es, Fernwärme auszukoppeln, was den Wirkungsgrad verbessert. Die bis zum Frühjahr allein regierende CDU hat Vattenfall vorbereitende Bauarbeiten erlaubt. Die inzwischen mitregierenden Grünen (GAL) lehnen das Kraftwerk aus klimapolitischen und ökologischen Gründen ab. Sie hoffen, dass die grün geführte Umweltbehörde das Projekt unter Verweis auf das Wasserrecht stoppen kann. UG

Von MARCO CARINI

Offiziell ist nichts entschieden, die Niederlage der GAL noch nicht besiegelt. „Die rechtlichen Klärungen sind nicht abgeschlossen“, wurde die grüne Hamburger Umweltsenatorin Anja Hajduk gestern nicht müde zu betonen. Doch hinter den Kulissen ist die Entscheidung für den Bau des Kohlekraftwerks Moorburg vermutlich gefallen. Nach Informationen der taz hat der Energieversorger Vattenfall von entscheidender Stelle das Signal erhalten, dass er Ende dieses Monats, wenn Hajduk über eine Baugenehmigung für das Kraftwerk entscheiden werden muss, nicht mit einem Ablehnungsbescheid zu rechnen habe. Wahrscheinlich ist damit eine Genehmigung mit Betriebseinschränkungen und Auflagen. Welche Auflagen erteilt werden könnten, nur das wird in der Behörde derzeit noch mit Hochdruck geprüft.

Strittig ist allein noch die wasserrechtliche Genehmigung für das Kraftwerk, da zur Kühlung seiner Kraftwerksblöcke die Elbe aufgeheizt werden muss. Ende August aber signalisierte das Hamburger Oberverwaltungsgerichts in einem Hinweisbeschluss, diese möglichen ökologischen Schäden würden eine Ablehnung der Baugenehmigung nicht tragen. Seitdem geht auch Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU) davon aus, dass das Kraftwerk Moorburg nicht gestoppt werden kann, ohne dass auf die Stadt hohe Schadensersatzansprüche zurollen. Der Bürgermeister dringt jetzt auf eine „eindeutige Lösung“, mit der das Thema vom Tisch kommt. Einem jahrelangen Gerichtsverfahren, an dessen Ende hohe Regressforderungen Vattenfalls an die Stadt stehen könnten, erteilte der Regierungschef im internen Kreis eine eindeutige Absage.

Damit weht dem grünen Koalitionspartner, der die Verhinderung des Megakraftwerks in Moorburg unter dem Slogan keine „Kohle von Ole“ einst zum zentralen Wahlkampfthema machte, ein kräftiger Gegenwind ins Gesicht. Besonders Anja Hajduk, die das Kraftwerk genehmigen müsste, dürfte in den Fokus der Kritik der grünen Basis geraten, die dem Koalitionsvertrag auch in der Hoffnung zustimmte, damit Moorburg noch verhindern zu können.

Eine für Hajduk gesichtswahrende Kompromisslinie, die hinter den Kulissen deshalb hoch gehandelt wird, könnte so aussehen: Hajduk genehmigt den Kraftwerksbau mit Auflagen. So bot Vattenfall bereits an, die Leistung des Kraftwerks und damit auch den Kohlendioxidausstoß zu reduzieren, bis die Abscheidetechnik, die das Klimakillergas aus den Schornsteinen filtern soll, einsatzbereit ist.

Zudem erhält die Senatorin freie Hand, die geplante und von der GAL seit Jahren bekämpfte Ansiedlung des Möbelhauses Höpfner in Hamburg-Eidelstedt zu kassieren – selbst wenn daraus Schadensersatzansprüche des Einrichtungshauses gegenüber der Stadt resultieren würden.

Denn diese würden weit geringer ausfallen als die Regressansprüche von Vattenfall, welche eine dreistellige Millionenhöhe erreichen könnten. Hajduk könnte sich die Schadstoffminderung und das Höpfner-Aus als politischen Erfolg an die Brust heften – und so den grünen Unmut besänftigen.

Doch das Vattenfall-Angebot, die Kraftwerksleistung vorläufig zu reduzieren, könnte nur ein Spiel auf Zeit sein. Das Moorburger Kohlekraftwerk soll nicht vor 2012 ans Netz gehen, wenn die schwarz-grüne Legislaturperiode abläuft. Mit einer neuen Hamburger Landesregierung ohne Beteiligung der Grünen könnte Vattenfall die Emissionswerte neu verhandeln und womöglich wieder kassieren. Die Diskussion um die Aufweichung des Atomkonsenses lässt grüßen.

Hamburgs Wirtschaftssenator Axel Gedaschko (CDU) hat gleichzeitig Vattenfall ungewöhnlich scharf angegriffen und damit die Senatslinie verteidigt, bislang keine endgültige Genehmigung für das Kraftwerk auszusprechen. Der bekennende Moorburg-Fan warf vor 250 Gästen auf einer Veranstaltung des CDU-Wirtschaftsrats am Dienstag Abend dem Energieversorger schwerwiegende Versäumnisse im Genehmigungsverfahren vor.

Vattenfall habe schon zur Zeit der CDU-Alleinregierung die wasserrechtliche Genehmigung „nicht ernst genommen“, und „nicht einmal alle angeforderten Unterlagen beigebracht“. Durch diesen „Riesenfehler“ des Konzerns sei es der damals von Gedaschko geleiteten Umweltbehörde nicht möglich gewesen, die Baugenehmigung für das Kohlekraftwerk auszusprechen. Schließlich sei Hamburg „keine Bananenrepublik“.

Hätte er als Umweltsenator noch vor der Wahl eine Genehmigung ausgesprochen, wäre diese „sofort von den Umweltverbänden beklagt“ worden, und das „vermutlich mit Erfolg“. Die Risiken des „vorgezogenen Maßnahmebeginns“ – des Baubeginns ohne Genehmigung – trage nun allein der Energiekonzern. Gedaschko: „Das hat Vattenfall so unterschrieben.“

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