Kenias Kibaki kalkuliert mit Kontinuität

Viele neue Gesichter, aber auch viele alte prägen Kenias neue Regierung, die jetzt ihre Arbeit aufnimmt

NAIROBI taz ■ Neulich sahen Passagiere in einem Bus in der kenianischen Hauptstadt, wie der Fahrer einem Verkehrspolizisten wie üblich Schmiergeld zusteckte. Sie stiegen aus und forderten von dem unbewaffneten Polizisten die 100 Shilling (1,20 Euro) zurück. Früher hätten sich die Leute so etwas nicht getraut – aber nach dem Wahlsieg der Opposition unter Mwai Kibaki scheint alles möglich. „Als Kibaki vereidigt wurde, bat er die Kenianer, ihm zu helfen, die Korruption zu besiegen“, erklärte einer der Buspassagiere, Thomas Muinde. „Der Krieg fängt bei uns an, bei der Bevölkerung. Wenn wir nichts machen, wird die neue Regierung versagen“.

Es war keine leichte Aufgabe für den neu gewählten Präsidenten Mwai Kibaki, seine Regierungsmannschaft zusammenzustellen. Er war an viele Versprechen gebunden, die er vor der Wahl zum Zusammenhalt seiner Oppositionsallianz Narc (Nationale Regenbogenkoalition) diversen Politikern geben musste. Prominente Alliierte wollten belohnt werden, alle Regionen Kenias müssen vertreten sein. Dennoch sind die meisten Minister des neuen Kabinetts, das gestern offiziell seine Arbeit aufnahm, Spezialisten auf dem Gebiet ihres Postens. Und Kibaki hat ein Wahlversprechen gehalten: Die Zahl der Minister und Staatssekretär sinkt von 39 auf 24.

Ein alter Bekannter ist Bauminister Raila Odinga. Er war in der letzten Regierung des abgewählten Daniel arap Moi Energieminister. Ein paar Monate vor der Wahl schloss er sich der Narc an. Sein Ministerium bekam der Diplom-Bauingenieur auf eigenen Wunsch – zuvor war er als Premierminister gehandelt worden.

Ebenfalls ein bekanntes Gesicht ist Bildungsminister Georgem Saitoti. Unter Moi war der Mathematikprofessor Vizepräsident gewesen, bevor er zur Narc überlief. Er hat schon seine erste Arbeit geleistet: Seit dieser Woche, verkündete er, ist der Grundschulunterricht an Staatsschulen kostenlos.

Zwar war das theoretisch bisher auch schon so, aber die Schulen bekamen zu wenig Geld vom Staat. Deshalb mussten Eltern für Bücher und andere Lehrmittel Zuschüsse zahlen, ohne die ihre Kinder nicht am Unterricht teilnehmen konnten. Das konnten sich viele nicht leisten. Die Einschulungsquote ging zwischen 1990 und 2002 von 95 auf 85 Prozent zurück.

Woher nun das Geld für den kostenlosen Unterricht kommen soll, ist ein Problem, und daher ist der neue Finanzminister sehr wichtig. David Mwiraria ist aber für die meisten Kenianer ein Unbekannter. Er ist ein enger Vertrauter von Präsident Kibaki. „Eine gute Wahl“, meint der Politologe Cyrus Mutiso. „Er ist ein effizienter Arbeiter und soweit wir wissen nicht korrupt. Er war in den letzten Jahren schon Finanzminister im Schattenkabinett der Opposition. Wenn einer es schaffen kann, die kranke Wirtschaft zu heilen, ist er es.“

Besondere Fortschritte machen unter Kibaki die Frauen. Noch nie seit der Unabhängigkeit 1963 hatte Kenia so viele weibliche Mitglieder in der Regierung: drei Ministerinnen, drei Staatssekretärinnen, vier Ministerialdirektorinnen. Charity Ngilu, bei den Wahlen in 1997 Präsidentskandidatin der kleinen Sozialdemokratischen Partei, ist jetzt Gesundheitsministerin. Sie ist zwar keine Ärztin, aber sie hat sich einen Namen als Kämpferin gegen Korruption gemacht, und ihr Ministerium war in der Vergangenheit eine Stelle, wo Minister sich oft und schnell mit Diebstahl bereicherten.

Auch das Wasserministerium wird mit Martha Karua von einer Frau geführt. Sie hat einen schweren Job: In Kenia regnet es zu wenig oder zu viel, und dagegen kann sie nichts machen. Es hat in Kenia noch nie eine ehrliche Verteilung von Wasser gegeben, und zurzeit liefern sich Nomaden im Norden Kenias blutige Kämpfe um Wasserquellen.

Außer den zehn neuen Frauen in der Regierung gibt es noch eine – Sally Kosgei, Leiterin des öffentlichen Dienstes. Sie hat ihren Posten über die Wahl hinaus gerettet. Die enge Vertraute von Moi gilt als eine der wenigen Mitglieder der ehemaligen Regierung, die gute Arbeit leistete.

Die neue Regierung ist in Kenia größtenteils zufrieden aufgenommen worden. Macharia Gaitho, Kommentator der Sunday Nation, äußert aber auch Kritik: „Was ich nicht so gut finde, ist, dass diese Regierung eine Spiegelung von Kibakis Konservatismus ist. Stabilität ist ihm wichtiger als radikale Veränderung.“

ILONA EVELEENS