DIE HAUSHALTSDEBATTE GAB EINEN VORGESCHMACK AUF DEN WAHLKAMPF
: Kleinparteien, nach allen Seiten offen

Wie der anstehende Wahlkampf tönen könnte, das ließ bei der Haushaltsdebatte am Mittwoch Guido Westerwelle anklingen. Union wie SPD warf der FDP-Chef Heuchelei vor: „Wir haben eine Bundesregierung, die hat hier heute Morgen auf Rosamunde Pilcher gemacht, und heute Nachmittag geht dann im Wahlkampf das Kettensägenmassaker weiter.“ Derart schrill in der Formulierung und zugleich harmlos in der Sache könnte sich der gesamte Bundestagswahlkampf gestalten.

Denn alle Parteien müssen jetzt zeigen, ob sie gelernt haben, sich im Fünf-Parteien-System zu bewegen. Dies wird voraussichtlich zu ungewohnten Koalitionen zwingen. Weil ein Ampel- oder Jamaika-Bündnis zumindest möglich ist, gehen Union, SPD, Grüne und FDP ungewohnt pfleglich miteinander um. Ein wenig Meckern der Opposition an der Regierung muss sein, das fordert der harte Kern der Parteisympathisanten. Aber allzu tief und heftig dürfen die Schläge nicht mehr ausfallen – man könnte ja einen potenziellen Koalitionär vergraulen. Deshalb Westerwelles diffuser Rundumschlag gegen Union wie SPD. Aber was für die FDP gilt, gilt im selben Maße für die anderen möglichen Königsmacher: die Grünen.

Beiden Parteien steht in den kommenden Monaten eine Gratwanderung bevor. Zwar werden sich die Grünen wie gewohnt um Nähe zur SPD bemühen. Doch weil es für ein Zweierbündnis mit den Sozialdemokraten kaum reichen wird, müssen sie auch zeigen, dass sie mit der FDP können – notfalls sogar in einer Koalition mit der Union. Bei der FDP sieht die Lage ähnlich aus. Sie will der CDU nahestehen – aber nicht so nah, dass sie in der öffentlichen Wahrnehmung wie einst zum Anhängsel der Union verkümmert. Die Gelben müssen durchblicken lassen, dass sie notfalls auch für eine Koalition mit Rot und Grün bereit sind.

Dadurch besteht die Chance, dass es im Wahlkampf auch um Inhalte geht. FDP und Grüne könnten darüber streiten, was sie gemeinsam gegenüber der SPD oder der Union durchsetzen wollen – beispielsweise mehr Datenschutz oder eine striktere Haushaltskonsolidierung. Das wäre zwar dröger als ein Kettensägenmassaker. Aber gehaltvoller als Rosamunde Pilcher. MATTHIAS LOHRE