Drei Könige, die den Chef belauern

FDP-Vorsitzender Westerwelle enttäuscht Erwartungen an große erste Rede im neuen Jahr. „Wir werden unseren Kurs halten“, sagt er nur, bleibt vage und erntet müden Applaus. Seinen Konkurrenten Döring, Gerhardt und Brüderle kann‘s recht sein

aus Stuttgart HEIDE PLATEN

Die Jahrhundertrede war schon am Anfang verteilt und vergriffen, die Suche nach Restexemplaren vergeblich. Und am Ende wurde es keine. FDP-Chef Guido Westerwelle hat sie gestern beim traditionellen Dreikönigstreffen der Liberalen einfach nicht gehalten. Seine Rede blieb ohne Brisanz, der Beifall des Parteivolkes dementsprechend mäßig.

Hatte er noch bei seiner Wahl 2001 selbstbewusst den Ausflugsdampfer Spaßpartei vom Stapel gelassen – „Bei jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt es nur einen, der die Sache regelt“ – schlingerte der Kapitän diesmal in seichten Gewässern und in solchen, auf denen Geisterschiffe fahren. Der Saal des Staatstheaters in Stuttgart war voller Gespenster liberaler Geschichte und Geschichten. Da spukten die Exaußenminister Scheel, Genscher, Kinkel herum, und es wurden ellenlang Elderstatesmen und -women von Graf Lambsdorff bis Hildegard Hamm-Brücher beschworen.

Die waren zwar nicht leibhaftig anwesend, aber ihr Credo ging auch Westerwelle immer wieder so flott von den Lippen, als seien die Revolutionäre von 1848 wiederauferstanden: Freiheit als Garant von Gerechtigkeit, verantwortungsbewusste Bürger stehen gegen den sie knechtenden Staat auf. Aber nicht zu sehr: „Deutschland verändert man nicht auf den Barrikaden, Deutschland verändert man mit der FDP.“ Es komme nur auf die „Geisteshaltung“ an. Und darauf, im Februar den Einzug in die Landtage von Niedersachsen und Hessen nicht zu verpassen. Westerwelle versprach Rückenwind im Rückwärtsgang.

Auf der Bühne verfolgten gleich drei alte Konkurrenten und potenzielle Schiffslenker Westerwelles Ringen mit dem hohen parteiinternen Seegang. Baden-Württembergs Wirtschaftsminister Walter Döring hatte zuvor „die Besinnung auf unsere Werte, auf unsere liberale Identität“ gefordert. Die Menschen warteten „auf Inhalte“. Döring wiederholte seine Forderungen nach Steuersenkung und Studiengebühren und zentrierte die Aufmerksamkeit auf den Vortrag Westerwelles, dem er dann nur anfangs aufmerksam folgte. Nach dem ersten Drittel gönnte er sich Schwätzchen. Bundestagsfraktionschef Wolfgang Gerhardt blieb angespannt und blickte seinen Nachfolger auf der Kommandobrücke kaum an.

Auch Gerhardt hatte zuvor vor allem die Vergangenheit beschworen und sich gleichzeitig als Visionär betätigt. Der Exparteichef geißelte den Wohlfahrtsstaat, Rot-Grün, die Gewerkschaften und sagte die Erhöhung der Mehrwertsteuer und die deutsche Beteiligung am Krieg gegen den Irak voraus. Kanzler Schröder sei „der prinzipenärmste Bundeskanzler“ aller Zeiten. Seine parteiinterne Kritik am Bundestagswahlkampf der FDP als Vergnügungsfahrt klang subtil durch. Nichts gegen Veränderung, aber bitte schön nicht als weitere „Konsenspartei“. Die FPD müsse zwar größer werden, aber „mit Herz und Haltung“. Gerhardt erhielt Standingovations.

Der dritte Kapitänsanwärter, Rainer Brüderle, verzog kaum eine Miene, während Westerwelle dahindümpelte und doch tapfer verkündete: „Wir werden unseren Kurs halten.“ Seine von den Parteifreunden im Vorfeld eingeforderte „überrragende“ Rhetorik fand Westerwelle nicht. Hausbacken populistisch hatte er damit begonnen, dass die Gäste an diesem kalten, sonnigen Tag im Saal durch ihre Anwesenheit immerhin für zwei Stunden Steuerhöhungen sparten für Benzin, Heizung, Tabak, „sogar Blumen“. Die FDP, verkündete auch er dann, brauche ein eigenes Profil, sie dürfe „nicht zuerst als Koalitionspartner von irgendjemand“ antreten. Die Partei stehe nicht für Turbokapitalismus und soziale Kälte, aber für Freiheit und Eigenverantwortung. Der mündige Bürger sei „wie ein Muskel, er muss trainiert werden, damit er stärker werden kann“, sagte Westerwelle. Und steuerte dem Ende zu: „Der Liberalismus gehört in die erste Liga.“ Das Podium rettete ihn nach zwei Minuten aus der Beifallsflaute durch gemeinsames Aufstehen und Applaudieren. Das Bad in der Menge fiel aus.

Ein weiterer Geist, der ehemalige Parteivize Jürgen Möllemann, war namentlich nur vor dem Saal anwesend. Dort hielt ein einsamer Fan ein Plakat hoch: „Lieber 10 Möllemann als auch nur einen Friedman“.

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