„Scharon gilt immer noch als der liebe Opa“

Unter Scharon hat die Gewalt gegen Israelis zugenommen. Trotzdem wird Likud die Wahlen gewinnen, meint der Politologe Efraim Inbar

taz: Seit vor drei Wochen die Korruptionsaffäre des Likud bei der Kandidatenaufstellung für die Knesset öffentlich wurde, holt die Arbeitspartei in den Umfragen auf. Wird mit den neuen Terroranschlägen dieser Aufschwung gestoppt?

Efraim Inbar: Der Stimmenverlust des Likud bedeutet nicht, dass die Arbeitspartei stärker geworden ist. Die Korruptionsaffäre hat nicht der Arbeitspartei geholfen, sondern der Schass und auch den rechten Parteien.

Dennoch ist die Affäre schon jetzt zentrales Thema der Arbeitspartei.

Die Arbeitspartei ist für Likud-Wähler keine Alternative, vor allem nicht mit dem derzeitigen Parteivorsitzenden, Amram Mitzna. Der genießt keinerlei Glaubwürdigkeit.

Ariel Scharon sind derzeit angesichts der US-amerikanischen Angriffspläne gegen den Irak die Hände gebunden. Wie würden Sie sein Image bei den Wählern beschreiben?

In der Politik spielen alle möglichen, irrationalen Elemente eine Rolle. In der Öffentlichkeit hat Scharon immer noch das Image des Glaubwürdigen. Schließlich hat er Neuwahlen eingeleitet. Er agiert vorsichtig und überlegt, und er hat in einer Zeit, die keinesfalls leicht für Israel war, die guten Beziehungen zu den USA bewahrt. Er gilt noch immer als der gute und seriöse Opa. Arbeitspartei-Chef Mitzna hat dagegen keine Chance.

In Scharons Regierungszeit sind 700 Israelis Opfer von Anschlägen geworden. Ist es nicht ein Mythos, dass er seinem Volk Sicherheit verschafft?

Die Mehrheit der Öffentlichkeit weiß, dass dafür nicht die Schuld bei Scharon, sondern bei Arafat zu suchen ist. Die Öffentlichkeit denkt eher, dass die Regierung nicht genug unternimmt.

Die Maßnahmen der Regierung haben sich als unwirksam herausgestellt. Wäre es nicht an der Zeit, andere Wege zu gehen?

Die Gewaltwelle ist ja gerade die Folge von dem Versuch, andere Wege zu gehen. Deshalb ist die israelische Linke auch in so großer Not.

Der Likud wird versuchen, mit den Anschlägen zu beweisen, dass das eigentliche Thema der Wahlen nicht die Korruption sein darf, sondern die Sicherheit. Ist den Wählern tatsächlich nichts anderes wichtig?

Fest steht, das bestätigen auch die Umfragen, dass der Öffentlichkeit die Sicherheit am wichtigsten ist. Bis zu den Wahlen haben wir noch drei Wochen, da kann noch einiges passieren.

Zum Beispiel?

Weitere Anschläge, neue Erkenntnisse im Korruptionsskandal. Wir sind ein dynamisches Land.

Welche Antworten liefert die Arbeitspartei in der Sicherheitsfrage?

Die Idee der einseitigen Trennung ist für viele attraktiv. Aber die Arbeitspartei will ja nicht nur die Trennung. Mitzna hat die Wiederaufnahme von Verhandlungen angekündigt. Das mögen die Israelis nicht. Es geht außerdem vor allem um Personen. Mitzna repräsentiert die extreme Linke, und das in einer Zeit, in der man die Mitte ansprechen müsste. Wahltaktisch war die Aufstellung Mitznas ein Fehler. In den letzten 25 Jahren hat die Arbeitspartei zwei Wahlen gewonnen – beide Male mit ausgesprochenen Falken, Generälen, die eine Politik der harten Hand verfolgten.

Würden Sie der Arbeitspartei empfehlen, die beiden damaligen Wahlgewinner Ehud Barak und Jitzhak Rabin für ihren Wahlkampf zu nutzen?

Ich glaube nicht, dass das Stimmen bringen würde – beide stehen für einen Prozess, der gescheitert ist.

INTERVIEW: SUSANNE KNAUL