„Wir brauchen vernünftige Spielstättenförderung“

Peter Schulze, designierter Leiter des JazzFest Berlin, über den Zustand der Bremer Jazzszene und seinen Rücktritt aus der senatorischen Jazz-Jury

Peter Schulze war seit 1970 Jazzredakteur und von 1998 bis 2001 Musikchef bei Radio Bremen Zwei. Ab November 2003 leitet er für vier Jahre das JazzFest Berlin.

taz: Mit dem Ende von Radio Bremen 2 haben auch Sie sich als Musikchef der Welle verabschiedet. Weshalb dieser radikale Schritt?

Peter Schulze: Nach wie vor finde ich Radio ein spannendes Medium für Musik. Intelligente Musik und vor allem die intelligente Verkoppelung von Wort und Musik zu einem interessanten Programm, das Hörer ernst nimmt - und das heißt auch: ihnen etwas zumutet – all das reizt mich noch immer. Aber ich finde davon nichts im Tagesprogramm des Nordwestradios wieder. Das ist einfach stumpf formatiert. Das interessiert mich nicht. Und es ist, wenn ich es recht sehe, nicht einmal billiger als Radio Bremen 2.

Ein weiterer entscheidender Punkt war der geplante Abbau der nachhaltigen Musikproduktion. Ich denke, dass wir all die Jahre mit minimalem Mitteleinsatz aber mit viel Engagement und Eigenverantwortlichkeit eine Menge auf die Beine gestellt haben. Das war eine wesentliche Qualität des Senders, allein wenn man etwa an die Festivals „pro musica nova“ und „pro musica antiqua“ denkt. Das wird einfach nicht mehr gewollt.

Jetzt sind Sie zum Leiter des JazzFests in die Hauptstadt berufen worden. Kehren Sie Bremen „zornig-triumphierend“ den Rücken?

Weder noch. Ich freue mich natürlich über diese Chance in Berlin. Aber ich werde Bremen auch nicht ganz verlassen, sondern zwischen Wohn- und Arbeitsort pendeln. Ganz los wird man mich hier also nicht.

Beispielsweise haben wir den Verein Freunde des Sendesaals gegründet, für dessen Erhaltung und Weiternutzung wir eintreten – damit der nicht als Kollateralschaden eines eventuellen Umzugs von RB den Bach runtergeht. Außerdem werde ich mich für die Förderung von weiteren Kulturräumen stark machen, an denen es ja in Bremen bekanntlich mangelt. Zum Beispiel im Verein für das Musicon. Auch im Förderverein Kunst- und Künstlerzentrum Schwankhalle für die freie Szene bin ich aktiv. Der Bau der Schwankhalle ist ja gerade im Gange und zumindest ein Silberstreif am Horizont.

Sie wurden neben anderen Musikjournalisten von der Kulturbehörde in eine Jury berufen, die die behördeneigene Veranstaltungsreihe „JazzLab“ begleiten sollte. Diese Jury ist geschlossen zurückgetreten. Warum?

Ein isoliertes Veranstaltungskonzept, wie es die Jazzlab-Reihe darstellt, steht den Bedürfnissen und Interessen der durch Selbstausbeutung charakterisierten Szene nach unserer Einschätzung diametral entgegen.

Das Problem sind auch dort die Spielstätten. Vor drei Jahren herrschten in Bremen noch geradezu paradiesische Zustände für Jazzer: Es gab als internationalen Club das KITO und ansonsten das „Studio auf den Höfen“, das „Moments“, das Junge Theater, die MIB und viele andere – und zwar gleichzeitig. Eine unglaublich lebendige Szene, um die wir bundesweit beneidet wurden.

Einige Läden sind pleitegegangen, aber nicht wegen, sondern trotz der Live-Konzerte. Da müsste eine vernünftige Spielstättenförderung ansetzen. Eine aufgepfropfte, behördlich durchfinanzierte Konzertreihe ist da nur Sand in die Augen gestreut, purer Aktionismus. Es sind genügend Leute mit Know-how in der Szene vorhanden, die aus dem wenigen Geld eine Menge machen könnten, wenn man es denn vernünftigerweise in die Infrastruktur stecken würde.

Halten Sie die Bewerbung Bremens zur Kulturhauptstadt für realistisch?

Unterstützenswert ist sie auf jeden Fall, wenn sie denn auch eine Initialzündung zur Veränderung der Wahrnehmung des Kulturpotenzials durch die Politik bedeutet und wirklich etwas aufgewendet und sinnvoll angewendet wird. Das meint, es braucht ehrliches Engagement, das die Kulturschaffenden aber mit einbindet und ihnen den Rücken stärkt. Spielstättenförderung habe ich ja schon mehrfach genannt. Aber man sollte sich auch Gedanken über eine zukunftsträchtige Projektförderung machen, damit die nicht immer nur über die angeblich konsumptiven Mittel bestritten wird.

Interview: Daniela Barth