geläufig Seite wie ein Skalp

„ ‚Einmal Karthago und zurück‘ (1974) ist schon im Handel, als, angeblich, Tunesien dagegen protestiert. Buchhändler sind verpflichtet, die erste Seite herauszureißen, damit der Roman unbrauchbar wird. Diese Seite ist dem Ministerium zuzusenden wie ein Skalp.“ Diese Geschichte über den Roman von Egon Günther (Foto) erzählte Regine Sylvester in der Berliner Zeitung im Jahre 1999, als der Autor und Regisseur den Bundesfilmpreis in Gold für sein Lebenswerk bekam. Egon Günther, Jahrgang 1927, war der DDR unbequem und trat 1977 aus dem Verband der Film- und Fernsehschaffenden der DDR aus, dessen Präsidium er angehörte. Ab dem Ende der 70er-Jahre drehte er ohne Zensur ausschließlich in Westdeutschland, behält aber sein Haus in Groß Glienicke, in das er sich immer wieder zum Schreiben zurückzieht. Er hat eine für die DDR typische Biografie, lernt zunächst das Schlosserhandwerk und arbeitet dann als technischer Zeichner. Nachdem er in den Jahren nach dem Krieg an einem „Neulehrerkurs“ teilgenommen hat, studiert er in Leipzig Pädagogik, Germanistik und Philosophie. Er arbeitet zunächst als Lehrer, später als Verlagslektor in Halle/Saale. Nebenbei veröffentlicht er Gedichte, zwei Romane und eine Erzählung, ehe er 1958 als Dramaturg und Drehbuchautor zur Defa nach Potsdam-Babelsberg geht. Heute Abend liest er aus seinem oben erwähnten Roman und es sei angeraten, dorthin zu gehen. Denn den Roman gibt es nur noch antiquarisch – und wer weiß schon, wie oft es die erste Seite noch gibt. LAB

East-Side-Hotel, Mühlenstr. 6, 20 Uhr