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: Kämpferherz: Ronald Galenzas und Heinz Havemeisters Buch über Aljosha Rompe

B-Gefühle, aber 1-A-Leben

Mitte der Siebzigerjahre trampt der „DDR-Beatnik“ Michael Meinicke durch Polen und die DDR. Auf Hiddensee schließt er sich einer Nacktbade-Clique um Aljoscha Rompe an: „Wir erreichten sein riedgedecktes Häuschen … Aljoscha briet in riesiger Pfanne Stücke eines Aales mit ganzen Knoblauchzehen.“ Nach dem Essen griff er zur Gitarre „und stimmte die Gruberhymne an“. Gruber war der Abschnittsbevollmächtigte. „Neben vielen persönlich gemeinten Beleidigungen grölten den Refrain alle mit: ‚Oh, mix mir einen Drink … Oh, mix mir einen Drink … der mich woanders hinbringt!“

Nach fast 30 Jahren ist dieser Refrain nun zum Titel eines Buch geworden – über den Ende 2000 an einem Asthmaanfall erstickten Punksänger Aljoscha Rompe, der 1987 bereits zu einer Legende geworden war. In jenem Jahr entstand in der DDR – wie auch in Polen und in der UdSSR – ein Film über die einheimische Rockszene: „Flüstern und Schreien“, der Aljoscha und seine Punkband Feeling B berühmt machte, obwohl oder gerade weil darin mehrere Rockgruppen porträtiert wurden. Der Regisseur Dieter Schumann hatte die Frage „Rufen wir mit dem Film zur Revolution auf?“ mit Ja beantwortet – und Aljoschas 68er-Credo „Unter dem Pflaster liegt der Strand“ ans Ende des Films gestellt. Schumanns Koregisseur Jochen Wisotzki schwärmt noch heute von der ruhelosen Renitenz des Punksängers, dessen Biografie der Dichter Sascha Anderson gerne gehabt hätte. Wie dieser kam auch Aljoscha Rompe einmal wegen einer allzu dreisten Publikation in den Knast. Sein Stiefvater, das ZK-Mitglied Robert Rompe, holte ihn wieder heraus. Angeblich, indem er der Stasi eines seiner Häuser auf Hiddensee überschrieb. Anschließend besorgte Aljoscha sich einen Schweizer Pass, der ihm als Sohn eines Schweizers zustand. Damit pendelte er fortan zwischen Ost- und Westberlin, immatrikulierte sich an der FU, schaffte Band-Equipment in den Osten und begann, den Westen zu verabscheuen. Ähnlich wie auch ein Knastbruder und Freund aus seinen letzten Tagen: Will Frieden, einst umtriebiger DDR-Barkeeper, dann Hippie im Allgäu und nunmehr PDS-Genosse, der sich in „Mix mir einen Drink“ neben vielen anderen über Aljoscha äußert.

Während des Kriegsrechts tourte die Band Feeling B mit einem ausgebauten Kleinbus durch Polen. Beim Mauerfall machten sie noch mal von sich reden, indem sie vor laufenden Westkameras den SED-PDS-Vorsitzenden Gregor Gysi bestürmten, die Mauer wieder zu schließen – sonst sei alles zu spät. Und Recht hatten sie! Auch mit der Band Feeling B war es bald aus: Die Musiker Flake und Paul Landers gründeten 1993 die Gruppe Rammstein mit, die weltweit Erfolg hat. Aljoscha wurde über diese ganzen Verluste immer seltsamer: Er beschäftigte sich mit Mystik, pendelte alles aus und probierte neue Drogen, gründete lustlos Feeling B neu, flog nach Goa, kämpfte alleine und vergeblich um ein Haus und zog schließlich in einen Wohnwagen, obwohl er die Sesshaft im Prenzlauer Berg suchte. Mit dem Ende der DDR und seiner Punkband lief auch sein Leben aus. Die DDR-Musikexperten Ronald Galenza und Heinz Havemeister haben ihm mit ihrem 450-seitigen, reich bebilderten Wälzer: „Feeling B – Mix mir einen Drink“ ein dickes Denkmal gesetzt. Er hat es verdient. Ein Kämpferherz hat aufgehört zu schlagen.

HELMUT HÖGE

Ronald Galenza, Heinz Havemeister: „Feeling B – „Mix mir einen Drink. Das Ende einer Legende“. Schwarzkopf & Schwarzkopf, Berlin 2002, 416 S., 24,90 €