Geld, Genossen und Vergangenheit

Seit einem Jahrzehnt kämpft die Bundesrepublik vor Gericht um eine viertel Milliarde Euro. Prozessgegner sind die österreichischen Kommunisten in Form der smarten Rudolfine Steindling. Gestern ging der Endlosprozess ins neue Jahr

von MATTHIAS BRAUN

Die Stimmung in den Zuschauerreihen ist familiär. Ältere Herren nicken sich zur Begrüßung freundlich zu. Man kennt sich. Man trifft sich. Gestern im Senatssaal 416 des Oberverwaltungsgerichts. Man lacht über die Anekdoten des Zeugen. Schließlich geht es um die gemeinsame Vergangenheit als Systemträger in der DDR. Vor Gericht werden die politisch diskreditierten Genossen noch einmal ernst genommen.

Denn es geht um Geld. Viel Geld. Eine viertel Milliarde Euro. Die lagerten Anfang der Neunzigerjahre auf dem Konto der Novum GmbH, die zum Wirtschaftsimperium der Sozialistischen Einheitspartei (SED) gehörte. Wäre es so einfach, hätte das Geld schon lange für blühende Landschaften in Ostdeutschland gesorgt. Dafür will es die Bundesregierung verwenden, da altes SED-Vermögen den „Aufschwung Ost“ finanzieren soll.

Aber so einfach ist es nicht. Denn eine schillernde Figur fungiert seit 1978 als Gesellschafterin der Ostfirma Novum: Rudolfine Steindling. Österreicherin. Tochter eines jüdischen Résistance-Kämpfers und Holocaust-Überlebenden. Zentrale Figur im Treuhandimperium der Kommunistischen Partei Österreichs (KPÖ). Sie hatte in Ost wie West die besten Kontakte auch zu Nichtkommunisten. Sie verfügte über das Novum-Konto. In den Wirren des zusammenbrechenden SED-Staats zerlegte sie das Vermögen in kleine Beträge und verschickte es an Günstlinge in alle Welt. Von der Ursprungssumme gilt eine Hälfte heute als verschollen, die andere wartet auf den Prozessgewinner.

Den gab es schon einmal. Ende 1996 hatte das Berliner Verwaltungsgericht entschieden, dass die Firma Novum kein Betrieb der DDR-deutschen Einheitssozialisten war, sondern den österreichischen Kommunisten gehört. Das Gericht folgte damals nicht der Bundesregierung, die meinte, Steindling habe den Ostbetrieb nur „treuhänderisch“ geführt. Die 5.000 Mann starke KPÖ, die im Kalten Krieg dogmatisch moskautreu agiert hatte, war plötzlich reich.

Doch nur ein halbes Jahr später meldete sich in anonymer Informant und lieferte der Bundesregierung Material, das den Prozessausgang umdrehen könnte. Novum-Anwälte hätten Beweise manipuliert, lautete der Vorwurf. Pikanterweise stellte sich der Informant selbst als Novum-Anwalt heraus, der auf eine satte Belohnung für den Geheimnisverrat spekuliert hatte. So geriet die Bundesregierung auf der Jagd nach dem Geld selbst an den Rand der Legalität.

Die Frage, die das Oberverwaltungsgericht nun beantworten muss: Lässt die DDR-deutsche Rechtspraxis den Schluss zu, dass Rudolfine Steindling Novum für die SED und nicht für die KPÖ führte? Diesen Beweis muss die Bundesregierung erbringen, will sie an das Geld. Das dürfte schwer fallen. Stichhaltige Dokumente sind nicht in Sicht. Es bleibt abzuwarten, ob die Aussagen ehemaliger Funktionsträger des SED-Staats die Richter überzeugen. Für familiäre Atmosphäre wird weiter gesorgt.