Der Verschwörungsquatsch geht weiter

Am Mittwochabend stellte der linke Publizist Jürgen Elsässer sein neues Buch „Terrorziel Europa“ vor. Darin versucht er zu belegen, dass hinter den islamistischen Terroranschlägen die westlichen Geheimdienste stecken

Jürgen Elsässer hat eine merkwürdige linke Karriere hingelegt, fast meint man, er habe in allen linken Strömungen mal seinen Platz gehabt. Der ehemalige Berufsschullehrer war im Kommunistischen Bund aktiv, beteiligte sich an der Sammlungsbewegung „Radikale Linke“, begründete später die Antideutsche Bewegung mit, war Autor der Allgemeinen Jüdischen Wochenzeitung, Redakteur von Junge Welt, dann, nach dem Austritt im Streit, Mitbegründer der Wochenzeitung Jungle World, wurde Redakteur bei Konkret, wandelte sich im Zuge des Nato-Bombardements auf Serbien zum Antiimperialisten, schließlich zum Antiamerikaner. Darauf wurde er von der Konkret geschasst, verdingte sich wieder beim Krawallblatt Junge Welt, trat dort mit merkwürdigen Thesen auf, sah unter anderem beim Gendermainstreaming und bei Schwulen die Schuld für die kaputte Solidargemeinschaft und begrüßte Koalitionen von linken und faschistischen Parteien in Osteuropa. Dann wurde er kurzzeitig Berater der Fraktion der Linken im Bundestag, heute setzt er vor allem im Neuen Deutschland seine Duftmarken.

Am Mittwoch nun stellte er im Redaktionsgebäude des ND sein neuestes Buch „Terrorziel Europa“ vor, das unlängst im Residenz Verlag erschienen ist. Reißerische Titel hatten Elsässers Bücher schon immer. In „Terrorziel Europa“ will er aufgedeckt haben, dass hinter beinahe allen bekannt gewordenen islamistischen Terrorgruppen in Europa – den Attentätern von Madrid, den „Kofferbombern“ oder der „Sauerlandgruppe“ – westliche Geheimdienste steckten, die einen inneren Feind aufbauen wollten, um, so der Autor, letztendlich im eigenen Land eine „Notstandsdiktatur“ zu errichten.

Elsässer ist bekannt als gewiefter Rechercheur, der viele Kontakte hat und an brisante Unterlagen herankommt. Auch weiß er das Unbehagen, dass die Verschleierungstaktiken der Geheimdienste vielen bereiten, zu benennen, ebenso die Angst, die die „Sicherheitskonzepte“ des Innenministeriums verbreiten. Und er bestreitet nicht, dass es islamistischen Terror gibt, doch glaubt er, dass dieser hierzulande längst nicht so gefährlich sei, wie heute behauptet wird. Das alles erscheint nicht unwahrscheinlich und ist verstörend.

In der Diskussion mit dem ehemaligen Ostagenten Klaus Eichner allerdings entpuppt sich Elsässers simple Schwarz-Weiß-Denkart. Während der ehemalige Stasi-Mann nicht hinter jeder Tat eine Verschwörung wittert und bei den ehemaligen Gegnern in den US-Geheimdiensten und im BND vor allem Fehleinschätzungen und Blindheit vermutet, weiß Jürgen Elsässer ganz genau, was ist und was nicht. Man darf nämlich den Medien nicht trauen, sie sind allesamt von den Geheimdiensten durchwirkt – was ja leider oft stimmt. Findet Elsässer hingegen eine Anmerkung im Figaro, die in sein Weltbild passt, so kann diese nur richtig sein.

Und wie sieht dieses Weltbild aus? Es gibt einen „neuen Antisemitismus“ sagt Elsässer, meint allerdings die antiarabische Stimmung in Europa und nicht den neuen Judenhass. In Deutschland ist es heute bereits „wie vor 1933“, Mohammed Atta war nicht an „Nineeleven“ beteiligt, damit die Twin Towers zusammenstürzen konnten, gab es nach den Flugzeugeinschlägen noch „kontrollierte Sprengungen“, „Ussama Bin Laden ist ein Mann der Amerikaner“, die „Sauerlandgruppe“ wurde vom Verfassungsschutz angeleitet und so weiter und so fort. Wer das anders sieht, ist „dumm“.

Das zahlreiche Publikum im ND-Gebäude hörte das, trotz vereinzelt geäußerter Zweifel, ganz gern. Denn tatsächlich öffnen die Geheimdienste dadurch, dass sie der parlamentarischen Kontrolle weitgehend entzogen sind und sie vor allem ihre Pannen geheim halten, den Verschwörungstheorien Tür und Tor. Und selbstverständlich haben sie in Jugoslawien zersetzend gearbeitet, selbstverständlich kennen sie einige Terrorgruppen sehr lange, bevor sie sie auffliegen lassen, selbstverständlich benutzen sie „Hassprediger“ (Elsässer) als V-Leute und decken sie, und selbstverständlich sind Unschuldige in Guantánamo eingesperrt.

Elsässer baut daraus eine Gegenwelt, in der Gut und Böse miteinander kämpfen. Er selbst inszeniert sich dabei als der Gute, als verfolgte Unschuld. So dürfe er Namen von Geheimdienstmitarbeitern nicht nennen, um nicht verhaftet zu werden, sagte er. Der Moderator, René Heilig, nannte die Namen dann einfach. Das war sehr peinlich für Elsässer. JÖRG SUNDERMEIER