Beste Aussicht auf permanente Krise

DIW erwartet für 2003 nur ein Wachstum von 0,6 Prozent und warnt vor einer Deflation. Kritik an EZB und Rot-Grün

BERLIN taz ■ Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin prognostiziert „düstere Aussichten“ für die Konjunktur. Wenn sich Politiker, Eliten und Bürger nicht zu grundsätzlichen Reformen bereit erklärten, sei „eine permanente Krise“ zu erwarten, sagte DIW-Präsident Klaus Zimmermann gestern anlässlich seiner Wirtschaftsprognose für 2003 und 2004.

Für dieses Jahr rechnet das DIW nur noch mit einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) von 0,6 Prozent – das wäre weit weniger, als die Bundesregierung annimmt, die ihre gesamte Haushaltsplanung bislang auf ein BIP-Wachstum von 1,5 Prozent stützt. Auch 2004 soll die Wirtschaft nach Schätzung der Forscher nur ungefähr um ein Prozent zulegen.

Zum guten Teil trage die Bundesregierung selbst die Verantwortung, erklärte DIW-Konjunkturexperte Gustav Adolf Horn. Anders als in den Vereinigten Staaten, wo der Staat die Bürger mit mehr Geld versorge, betätige sich die Regierung hier nicht „expansiv“. Statt mehr Geld auszugeben, nehme sie den Wirtschaftssubjekten durch Steuer- und Beitragserhöhungen noch etwas weg. Diese Mittel fehlten der Nachfrage, weshalb die Unternehmen weniger Anlass hätten zu investieren.

„Das grundlegende Problem“, so Horn, „ist der Maastricht-Vertrag.“ Durch das sklavische Festhalten am Ziel, die öffentliche Neuverschuldung pro Jahr auf höchstens drei Prozent des BIP zu begrenzen, werde die Wirtschaft stranguliert. Das DIW plädiert für eine Reform: Statt des Defizits sollen die Ausgaben begrenzt werden. Horn schlägt eine maximale Steigerung der öffentlichen Ausgaben um zwei Prozent jährlich vor. Das ermögliche einen Aufschwung und führe langfristig zu einer Konsolidierung der Haushalte.

Auch die Europäische Zentralbank (EZB) bekommt ihr Fett weg: Die Zinsen hätten weiter gesenkt werden müssen, argumentiert das DIW. Denn eine Inflationsgefahr, die die EZB bekämpfen müsse, existiert nicht. Es sei sogar nicht auszuschließen, dass die Preise sinken. Dann würde Deutschland – wie Japan – in eine Phase der Deflation eintreten. Tatsächlich ähnle die derzeitige Wirtschaftspolitik in Deutschland schon der japanischen vor der Krise.

Die Folgen dieser Politik liegen für das DIW auf der Hand: Die Forscher erwarten 4,2 Millionen Erwerbslose im Jahresdurchschnitt 2003. Außerdem sei „ein blauer Brief aus Brüssel“, die Warnung der EU-Kommission vor einem zu hohen Defizit, „2003 unvermeidlich“, so Konjunkturexperte Horn. Das vom DIW prognostizierte Defizit liegt mit 2,7 Prozent nahe an der Dreiprozentgrenze, könne sie aber durchaus überschreiten. Erst 2004 werde es sinken.

Für die gegenwärtigen Tarifverhandlung im öffentlichen Dienst empfiehlt Zimmermann den Arbeitgebern, hart zu bleiben. Angesichts der Haushaltsnotlage passe eine Erhöhung der Löhne um die von der Gewerkschaft Ver.di geforderten drei Prozent nicht in die Landschaft. Dies gelte aber nur für den öffentlichen Dienst. In anderen Branchen hält das DIW Lohnsteigerungen von rund drei Prozent für sinnvoll, um den Konsumenten Nachfrage zu ermöglichen.

HANNES KOCH