Im Reich der Henne

Ein Abend voller DDR-Trautheit: Die Verleihung des Ost-Bambis „Goldene Henne“ in Berlin war gar nicht so übel

Wenn MDR und RBB gemeinsam live übertragen, aus einem Gebäude, das die verstorbene DDR-Entertainerin Helga Hahnemann mit „einem Bahnhof in Aserbaidschan“ verglich, dann muss es sich um etwas Ostalgisches handeln. Tatsächlich war sogar die Straße vor dem Friedrichstadtpalast Mittwochabend ausgeleuchtet: Auf dass die Stars und Sternchen, das Publikum mit Kaufkarten und die Medien einen Eindruck von fideler „Wir haben doch auch unsere Leben gelebt“-Aura Marke DDR bekommen. Und wenn das alles zusammenkommt, wenn die Super-Illu, Zentralorgan wesender DDR-Gefühle, das Patronat mit übernimmt, dann muss es sich um den Abend handeln, an dem Preise verliehen werden, die sich „Goldene Henne“ nennen.

Die bronzene Skulptur, die von weitem wie ein unpolierter Goldklumpen aussieht, bekommen all jene Celebrities, die auf dem Gebiet der früheren DDR zu den Lieblingen gehören: eine Art Ostbambi, was als Charakterisierung auch deshalb Sinn macht, weil die Super-Illu im Besitz des Medienunternehmens Burda (West) liegt. Die Goldene Henne soll an Helga Hahnemann erinnern, eine Kreuzung aus Peter Frankenfeld und Gisela Schlüter nach DDR-Art, 1991 verstorben – eine Ikone jenes DDR-Kummerselbstbewusstseins, das die Kultur der Arbeiter-und-Bauern-Republik erst nach deren Abwicklung als eigene identifizierte.

Die 14. Auflage der Hennenübergabe moderierte die Sängerin Helene Fischer, ein Star der Schlagerszene, 24 Jahre jung – auch sie längst eingemeindet vom ostdeutschen Gemütlichkeitsgranteln. Es war gar keine so üble Veranstaltung. Die Fischer holperte hin und wieder – sagte einmal, gewiss absichtslos, „Goldene Gans“ statt „Goldene Henne“, aber alle freuten sich mit ihr, natürlich auch die Preisträger, die Sportlerin Lena Schöneborn, Udo Jürgens, das Team des Leipziger TV-Dramoletts „In aller Freundschaft“, auch der Bundespräsident Horst Köhler, der fein selbstvergessen mit den Füßen wippte, als Udo Jürgens, Gloria Gaynor und Peter Maffay sangen, und sich ohne falsches Tremolo, Weltpathos oder Deutschjammer für seinen Preis bedankte. Und irgendwie, nun ja, leutselig, als er vor dem Eingang noch Autogramme gab und sie einfach nur mit seinem Namen zeichnete – ein Star offenbar, der um die Riten des Daseins im Pop weiß: „Für Stefan … Horst Köhler“.

Ein Abend insgesamt, der diese gewisse DDR-Trautheit zelebrierte – und deshalb weniger geölt und verlogen wirkte als entsprechende Westklassiker wie Bambi oder Goldene Kamera. Es berlinerte und sächselte vernehmlich: ethnologisch eine sympathische Performance. JAF