Mülltonnen fließen doch nicht über

Öffentliche Arbeitgeber wollen einlenken – jedenfalls sieht es danach aus. Also keine „Nullrunde“ für die Staatsdiener,dafür soll der Tarifvertrag länger laufen. Auch die Wochenarbeitszeit soll steigen. Am endgültigen Angebot wird noch gefeilt

BERLIN dpa/taz ■ Arbeitgeber und Gewerkschaften des öffentlichen Dienstes starten ihren letzten Versuch, Streiks doch noch abzuwenden. Heute wollen sie sich für zwei Tage in Potsdam treffen, beide Seiten gaben sich kompromissbereit und setzten auf einen Durchbruch. Sollte aber auch diese letzte Runde scheitern, käme es zum ersten großen Streik im öffentlichen Dienst seit 1992.

Wie die Arbeitgeber verlauten ließen, sind Bund, Länder und Kommunen inzwischen so weit, auch eine Lohnerhöhung von bis zu drei Prozent akzeptieren. „Wir wollen einen Streik verhindern und sind dafür zu vielem bereit“, sagte ein Vertreter.

Daher wollen die Arbeitgeber in Potsdam frühzeitig ein eigenes Angebot vorlegen. Bei der letzten Verhandlungsrunde in Bremen hatten sie zwar am Ende auch einen Vorschlag präsentiert – doch so spät, dass er kaum noch in den Schlichterspruch eingehen konnte. Noch allerdings wird am ultimativen Angebot gefeilt, es wird erst heute Nachmittag kurz vor Verhandlungsbeginn endgültig mit den diversen öffentlichen Arbeitgebern abgestimmt. Wie aus Teilnehmerkreisen verlautete, könnte die angebotene Einkommenserhöhung aber nur ein wenig großzügiger ausfallen – wenn dadurch an anderer Stelle „entlastet“ würde.

Beispielsweise könnte die Wochenarbeitszeit steigen und der Tarifvertrag eine Laufzeit zwischen 20 und 24 Monaten haben. Bei diesen „echten“ Entlastungen seien 2003 Lohnerhöhungen von 2,2 Prozent „darstellbar“. Inklusive Einmalzahlungen würden am Ende Lohnerhöhungen von 2,8 Prozent angeboten.

Die von den Arbeitgebern abgelehnte, von den Gewerkschaften angenommene Schlichtungsempfehlung hatte zum 1. Januar 2003 eine Anhebung der Löhne und Gehälter um 2,4 Prozent und ein Jahr später um weitere 0,6 Prozent vorgesehen. Außerdem ist eine Einmalzahlung von maximal 216 Euro im Westen und 194,40 Euro im Osten geplant. Die Ost-West-Tarife sollen bis Ende 2007 angeglichen sein und schließlich ein freier Tag gestrichen werden.

Sollte eine Einigung scheitern, könnte es vom 20. Januar an zu Streiks im öffentlichen Dienst kommen. In der nächsten Woche würden die Gewerkschaftsmitglieder über einen Streik abstimmen. Diesen Ausstand würde „man spüren“, erklärte gestern Ver.di-Sprecher Hermann Zoller. Die Gewerkschaft beharrt auf einer Drei vor dem Komma.

Nach Ansicht von Wirtschaftsforschern würde die Konjunktur weiter geschwächt. „Ein Streik wäre Gift für die Konjunktur, insbesondere in der jetzigen ernsten Lage“, hieß es beim Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Klaus Zimmermann, forderte die Arbeitgeber auf, hart zu bleiben. Der öffentliche Dienst müsse „im Bereich einer realen Nullrunde“ abschließen, also bei etwa einem Prozent, sagte er.

Inzwischen mehren sich jedoch die Zeichen, dass es zu einer etwas großzügigeren Einigung kommt: Berlin hat mit Wirkung zu heute den kommunalen Arbeitgeberverband verlassen. Offensichtlich fürchtet der Senat, dass er den Tarifabschluss nicht bezahlen kann. BD