Die Spitze setzt auf alles

Gewerkschaften drängen auf schnelle Tarifrunde, wollen weiter Bundestarif, aber auch spezielle Etatlage berücksichtigen. Senat will nächste Woche reden. Grüne: Nullrunde nur für Spitzenverdiener

von RICHARD ROTHER

Nach dem Austritt des Landes Berlins aus den öffentlichen Arbeitgeberverbänden wollen nun Senat und Gewerkschaften separat über einen Tarifvertrag für die Landesbediensteten verhandeln. Unklarheit herrschte zunächst noch über den Termin: Während die Gewerkschaften bereits für morgen zu Tarifverhandlungen einluden, favorisiert der Senat Termine in der kommenden Woche. Die Gewerkschaften wollen heute „wirksame Gegenmaßnahmen“ erläutern, zu deren Ergreifung sie der Senat gezwungen habe. Scheitern separate Tarifverhandlungen, könnten die Gewerkschaften mit Streiks den Druck auf den rot-roten Senat erhöhen – wenn die Basis mitspielt.

Der Senat hatte die öffentlichen Arbeitgeberverbände am Dienstag verlassen, um bei einem bundesweiten Tarifabschluss bis zum 31. Januar nicht die Tariferhöhungen an Arbeiter und Angestellte im unmittelbaren Landesdienst zahlen zu müssen. Mitarbeiter der öffentlichen Unternehmen – etwa BVG, BSR und Vivantes – sind davon nicht betroffen; für sie gilt weiterhin der bundesweite Tarifvertrag. Eine neue Verhandlungsrunde auf Bundesebene begann gestern Abend in Potsdam.

Die Gewerkschaften fordern vom Senat einen so genannten Anwendungstarifvertrag, das heißt, die neuen bundesweit geltenden Tarifregelungen sollen in Berlin übernommen werden. Dies hatte der Senat unter Verweis auf die Finanzlage der Stadt abgelehnt. Eine Übernahme des zuletzt ergangenen Schlichterspruchs hätte nach Senatsangaben rund 200 Millionen Euro gekostet. Zur Durchsetzung ihrer Interessen bilden nun die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, die Gewerkschaft der Polizei (GdP) und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) eine Tarifgemeinschaft.

Entgegen den kämpferischen Ankündigungen der vergangenen Wochen blieb man gestern bei Ver.di aber realistisch. Die Übernahme einer möglichen bundesweit geltenden Regelung sei „ein Ziel“, so ein Gewerkschaftssprecher. Ob das Ziel erreicht werde, müsse man sehen. Zwar habe der Senat die Lage eskaliert, dennoch müsse auch die besondere Haushaltslage der Stadt berücksichtigt werden.

„Ein Streik ist immer das letzte Mittel.“ Zuversichtlich zeigte sich der Gewerkschafter allerdings, in einer etwaigen Urabstimmung das nötige Quorum für einen Streik zu erzielen.

Die Grünen fordern unterdessen eine „sozial gestaffelte“ Umsetzung des Tarifabschlusses auf Bundesebene. „Dabei sollte von einer Nullrunde bei den Spitzeneinkommen ausgegangen werden“, so der Grünen-Finanzexperte Oliver Schruoffeneger. Ein Teil der Mittel könne für eine „generelle Arbeitszeitverkürzung“ genutzt werden. Außerdem sollte es die Möglichkeit geben, „individuell auf Tarifsteigerungen zu Gunsten einer Arbeitszeitverkürzung zu verzichten, um so einen Einstellungskorridor zu ermöglichen.“ Die beschlossene Verlängerung der Arbeitszeit für Beamte und Lehrer sei absolut kontraproduktiv.