Die Stimmung an der Basis schwankt

Während der Senat und die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst auf einen handfesten Tarifkonflikt zusteuern, scheint die Basis nicht eindeutig gestimmt: Sie schwankt zwischen Kampfeswillen und Kompromissbereitschaft

Senat und Gewerkschaften steuern auf separate Tarifverhandlungen zu, weil der rot-rote Senat aus dem Arbeitgeberlager ausgestiegen ist. Dieser einmalige und in Gewerkschaftskreisen als „Provokation“ bezeichnete Schritt hat allerdings nicht zu dem großen Aufschrei an der Basis geführt, den sich manch Gewerkschafter wünscht. Die Stimmung an der Basis scheint eher zu schwanken zwischen Wut und Kampfbereitschaft auf der einen Seite und der Suche nach Kompromissen und das Anerkennen der schwierigen Berliner Finanzlage auf der anderen Seite.

„Beschissen“ finde er die Situation im Moment, sagte gestern ein 46-jähriger Arbeiter im Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg. Deshalb sei ein Streik sinnvoll. Mindestens die Steigerung der Lebenshaltungskosten müsse ausgeglichen werden. Außerdem seien die Jobs im öffentlichen Dienst schlecht bezahlt.

Auch Diplompädagoge Peter H., 46, würde für einen Streik Verständis zeigen. Man habe „lang genug zurückgesteckt“. Um die Angestellten energisch zu vertreten, könne ein Streik da „nicht schlecht“ sein. Allerdings sei dieser wohl „gesamtwirtschaftlich problematisch“.

Zwischen den Sachbearbeiterinnen Hannelore Kley, 54, und Arzu Kersü, 22, besteht zwar Uneinigkeit, ob gestreikt werden solle. Kersü ist als Ver.di-Mitglied dafür, Kley dagegen – „gerade in der heutigen Wirtschaftslage“. Die Aussichten eines Ausstandes beurteilen beide aber gleich: „Das bringt nichts.“ So sei auch die Stimmung unter den Kollegen: „ziemlich hoffnungslos“.

Krankenschwester Monika Krüger würde nicht streiken wollen, wäre sie noch wie früher Angestellte im öffentlichen Dienst: „Im Krankenhaus liegen Menschen“, die könne sie „vom Ethos her“ doch nicht alleine lassen. Insgesamt könne sie den Unmut der Angestellten aber verstehen.

Skepsis auch bei einem pensionierten Postbeamten: „Die Kassen sind leer.“ Ein Streik im öffentlichen Dienst treffe alle und werde dann „ganz schön hart“. Und überhaupt sei die Stimmung unter den Angestellten gegen einen Ausstand: „Bei einer wirklichen geheimen Abstimmung wären nicht einmal 40 Prozent dafür.“

Uneinheitlich präsentieren sich auch die Meinungen im Online-Forum der Bildungsgewerkschaft GEW. „Gestern habe ich mit Wut hören müssen, dass der Berliner Senat aus dem Tarifvertrag aussteigen wird“, beschwert sich einer. Und: „Ich hoffe und erwarte von den Gewerkschaften, sich nicht auf die billigen Drohungen des Senats einzulassen.“

Ein anderer erwartet von seiner Gewerkschaft „1.000 Ideen zu kreativem Widerstand bis an den Rand des Legalen“. Gleichzeitig sei er jedoch entsetzt gewesen über die „gleichmütige Reaktion“, die die Nachricht von den geplanten Einschnitten bei einer Personalversammlung von LehrerInnen und ErziehrInnen in Charlottenburg-Wilmersdorf im Dezember hervorgerufen habe.

Einen anderen Diskussionsteilnehmer „bestürzt“ die „fast schon resignierende Stimmung in der Lehrerschaft“. Hier sei „die Bereitschaft auf befristete Einkommenseinbußen in Verbindung mit Arbeitszeitverringerung größer als in Gewerkschaftskreisen angenommen“.

Dies bestätigt ein anderes GEW-Mitglied. Sie erklärt sich bereit, zeitlich befristet zwei Stunden Arbeitszeit zu reduzieren mit entsprechender Gehaltsminderung, damit die Arbeitsbelastung vermindert wird und junge Kollegen eingestellt werden können. Eine Teilzeitoffensive auf freiwilliger Basis werde aber nicht den gewünschten Erfolg bringen. „Wenn überhaupt, dann müssten alle dazu verpflichtet werden.“ Bedingung dafür: „Alle anderen Schweinereien werden zurückgenommen.“ FGY, ROT