wolfsburgs größter coup von JOACHIM SCHULZ
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Seit je wissen die Automobilhersteller, dass es nicht ausreicht, einen Wagen von makelloser Schönheit, atemberaubender Schnellkraft und grandioser Rostresistenz zu bauen. Um die Dollarzeichen in den Augen der Aktionäre zum Leuchten zu bringen, braucht das Gefährt vielmehr einen Namen, der beim Publikum einen unwiderstehlichen „Haben-wollen!“-Reflex auslöst. Gerade die Vehikeltaufe jedoch ist ein äußerst heikles Unterfangen, denn nur allzu leicht hat man dem neuen Roadster fahrlässigerweise die Typenbezeichnung „Lahme Zwiebel SL“ gegeben und damit alle Umsatzhoffnungen torpediert.

Auch fremdländische Entlehnungen gilt es mit höchster Vorsicht zu verwenden: Mag sein, dass eine Karosse mit der Benennung „Funeral Turbo GTI“ hierzulande wegen des Namenswohlklangs ein Verkaufsschlager werden würde; in den Autohäusern von Madrid, Caracas und Mexiko-Stadt aber würde die Schüssel ein unrühmliches Ladenhüterdasein fristen, da ihr Name in der Sprache der Einheimischen nichts anderes als „Hochgeschwindigkeitsbegräbnis“ bedeutet.

Aus diesem Grund lässt man die Köpfe in den Marketingabteilungen so lange rauchen, bis endlich Geniestreiche wie „Capri“, „Espace“ oder „Rekord“ geboren werden. Gut hat mir ferner stets die wohl kalkulierte Familienbildung gefallen, wie sie etwa weiland bei Opel praktiziert wurde, wo man vom „Kadett“ über den „Kapitän“ bis hin zum „Admiral“ und „Kommodore“ einmal ein ganzes Marineoffiziersbataillon aufmarschieren ließ. Auch den Ford „Taunus“ habe ich übrigens in meiner Knirpsenzeit für den Anführer eines geplanten Mittelgebirgsfuhrparks gehalten; auf die Modelle „Westerwald“, oder „Zentralmassiv“ habe ich aber leider vergeblich gewartet.

Der größte Coup in der Geschichte der Fahrzeugbenennung ist freilich jüngst den Wolfsburger Droschkenschmieden gelungen. Sie haben nämlich einer ihrer neuesten Kreationen einen äußerst vielsagenden Namen aus der griechischen Mythologie gegeben, der insbesondere die Interessen unserer jungen Automobilisten aufs Exakteste widerzuspiegeln scheint. Das gute Stück heißt nämlich „Phaeton“. Phaeton war der Filius des Sonnengottes Helios. Täglich beobachtete Phaeton seinen Erzeuger neidvoll dabei, wie dieser den Sonnenwagen über die Himmelshalbkugel lenkte, und schließlich belatscherte er ihn so lange, bis Helios ihm seine Kutsche für eine Spritztour lieh. So bretterte Phaeton los, um sich nach bester Jungautomobilistenmanier nicht an die Verkehrsregeln zu halten und dergestalt dafür zu sorgen, dass Berge entflammten, Libyen eine Wüste wurde und der Nil austrocknete. Das trug ihm zwar den Zorn von Gottvater Zeus ein, der ihn umgehend mit einem Blitz pulverisierte.

Die Führerscheinneubesitzer von heute jedoch braucht das nicht zu kümmern, denn schließlich sind unsere neuzeitlichen Schnauferl nach den Gesetzen des Faraday’schen Käfigs konstruiert, so dass man sich selbst bei einer Geisterfahrt auf der Autobahn nicht mehr vor olympischen Blitzeinschlägen fürchten muss.