Sein Arsch gehört ihm

Gerhard Schröder kocht: In der Gerüchteküche wimmelt es von falschen Hasen

Kein Vorhalt ist dem Kanzler zu halbseiden, um ihn auf sich beruhen zu lassen

Gerhard Schröder, den wir zuletzt als markiges Industrie-Dummie im fernen China herumschweben sahen, wird in die Geschichte eingehen als der Kanzler, der Deutschland in einen Krieg und parallel einen Prozess um die Farbe seiner Haare führte. Unser stets auf Kohärenz bedachtes Weltbild hat bisher vergeblich versucht, die beiden Details systematisch zusammenzudenken. Nun aber, da für Schröder und Deutschland erneut ein Krieg ansteht, soll es wieder zum Prozess kommen, diesmal gegen eine Provinzzeitung, die Eheprobleme bei Schröders gemeldet hatte. Die ostbrandenburgische Märkische Oderzeitung berichtete Anfang Dezember über einen lautstarken Ehekrach im Hause Schröder-Köpf. Der Kanzler hat darin eine Verletzung seiner Intimsphäre erkannt und in einer eidesstattlichen Erklärung versichert, dass es keinen Streit nirgends gegeben habe.

Das Merkwürdige an der Prozesshanselei des Kanzlers war immer die Fallhöhe oder, sagen wir, die Divergenz der Milieus. Wenn der Papst des Diebstahls einer Wurst bezichtigt wird in einem Regional-Käseblatt von Südsizilien, erwartet niemand eine Richtigstellung, schon gar keinen Prozess. Anders Schröder. Kein Vorhalt ist ihm zu halbseiden, um ihn auf sich beruhen zu lassen. Würde einer behaupten, der Kanzler klebe Kaugummis unters Rednerpult des Bundestages, Schröder würde bei allen Halbbrüdern und Cousinen seine Unschuld beteuern. Hieße es, Schröder hätte keinen echten eigenen Popo, sondern sich den von Jürgen Drews ankleben lassen, wäre eine Gegendarstellung fällig, die nach Paragraf Soundso des Pressegesetzes klarstellt: „Hiermit versichere ich, Gerhard Schröder, Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland: Mein Arsch gehört mir.“

In der letzten Ausgabe der Zeit erzählt Focus-Herausgeber Helmut Markwort, wie Schröder, damals noch niedersächsischer Ministerpräsident, einmal verkleidet in ein Dorf in der Pfalz gereist sei, um sich dort heimlich mit Doris Köpf zu treffen. Lediglich er, der Focus-Chef, und ein SPD-Ortsvorsteher seien bei dieser Inkognito-Nummer damals zugegen gewesen, hätten aber dicht gehalten.

Die Story ist eine Weiterentwicklung der früheren Voyeurismen. Nicht nur die Haare sollen gefärbt sein, der ganze Mann ist jetzt verkleidet; es geht nicht um einen Ehekrach, sondern gleich um einen Ehebruch zum Nachteil seiner Gattin Hillu, vollzogen mit einer jungen Redakteuse, die der gleichfalls anwesende Chef eines Nachrichtenmagazins zur Verfügung gestellt hat. Der Mann vom Ortsverein der Partei hält noch die Lampe.

Ein Pornoset, das den Vergleich mit dem Clinton-Lewinsky-Eklat nicht scheuen müsste. Jenseits von allem Schmuddel muss allerdings gefragt werden, inwieweit Hauptdarsteller Gerhard Schröder sich damit erpressbar gemacht haben könnte. Ein frisch ertappter Ehebrecher wäre wohl kaum Ministerpräsident von Niedersachsen, Kanzlerkandidat der SPD und schließlich Bundeskanzler geworden.

Nach ihrer inneren Logik und Steigerung – Haarfärbung, Verkleidung und Ehekrach, Ehebruch – hätten die nächsten Schröder-Kolportagen den Kanzler in einem Bordell verorten und dort enthüllen müssen, dass Schröder gar nicht Schröder ist. Es kam leider anders. Die Boulevardzeitungen meldeten gestern: Schröder ist Schröder, und er hat ’ne Neue. Nach bekanntem Schema wären jetzt eidesstattliche Erklärung, Unterlassungsverfügung und Prozess fällig, und was das bedeutet, wissen wir.

Unser Mitgefühl gehört weder der Neuen noch Frau Doris, sondern uns. Es wird Krieg geben.

RAYK WIELAND