Vermummte im Schlafzimmer

Hamburgs Polizei ist Stunden nach der Schanzenfest-Randale gewaltsam ins Wohnprojekt Schanzenstraße 41 a eingedrungen. Die Betroffenen stellen Strafantrag wegen Hausfriedensbruch

VON KAI VON APPEN

Juliane B. ist schockiert. „Ich war um zwei Uhr nachts todmüde von der Arbeit gekommen und hatte schon im Bett geschlafen“, berichtet die 30-Jährige. Plötzlich habe sie bemerkt, dass Schwarz-Vermummte im Zimmer stehen und mit Taschenlampen leuchten. „Was ist denn los?“, habe sie gerufen, doch keine Antwort bekommen. „Ich hatte Angst, dass der Hund vor Schreck bellt und ihm was passiert – die waren völlig aggressiv.“

So wie Juliane B. ergeht es auch anderen Bewohnern des Wohnprojekts Schanzenstraße 41 a in der Nacht zum 7. September nach dem Schanzenfest, bei dem es am Abend wieder zur üblich ritualisierten Randale gekommen ist. „Gefahr in Verzug“ nennt die Polizei als Grund. „Polizeibeamte sind vom Torweg heraus mit Flaschen und Steinen beworfen worden“, gibt Polizeisprecher Andreas Schöpflin an. Es sei beobachtet worden, dass Personen in die Häuser geflüchtet seien, die dann von Beamten betreten worden sind, referiert Schöpflin, „um Straftäter ausfindig machen zu können“. Wer jedoch das Areal kennt, der weiß, dass es nach hinten raus Ausgänge in den Hamburger Hof am Schulterblatt und zum Sportplatz Bartelstraße gibt.

Dennoch gibt die Polizeiführung nach Debatten über Funk den Befehl, die Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit zwecks Strafverfolgung einfallen und wahllos in einige der 50 Wohnungen eindringen zu lassen. So auch bei Sven V., der gerade an seiner Diplomarbeit schreibt. Als der 41-Jährige vor seiner Haustür die Polizei hört, sei er aus dem oberen Zimmer die Treppe heruntergegangen. Er habe gerade noch die Worte gehört, „da ist jemand!“, im gleichen Moment habe ein Polizist die Haustür eingetreten, erläutert V. „obwohl die Tür nicht abgeschlossen ist“.

Die Polizisten hätten versucht, die Wohnung zu stürmen, was V. verhindern kann. Langsam hätten sie dann ihren Fehler bemerkt – spätestens, als sie das Baby-Schlafzimmer seines Mitbewohners inspizieren. „Da haben sie drei Gänge zurückgelegt“, sagt V., „es war ihnen peinlich.“

Auch die Haustür von Juliane B.’s Nachbarn wird eingetreten, obwohl die Tür von außen mit einem Vorhängeschloss am defekten Türschloss gesichert ist. „Da konnte also keiner hineingeflüchtet sein, es sei denn, er wäre danach von uns eingeschossen worden“, frotzelt V. „Das ist doch absurd.“ Mitgenommen hat die Polizei bei der Aktion nichts, Straftäter sind auch nicht dingfest gemacht worden.

Der Hausverwalter des Komplexes 41 a der Schanze eG, Lothar Taubert, hat die Polizei aufgefordert, die Schäden zu ersetzen und kündigt Strafantrag wegen Sachbeschädigung an. Die Betroffenen werden Strafanträge wegen Hausfriedensbruch stellen. „Es müssen Tatsachen über den Aufenthalt eines Flüchtigen vorliegen“, so Anwalt Marc Meyer, „aber selbst das kann ein nächtliches überfallartiges Eindringen in eine Wohnung nicht rechtfertigen“.

Selbst wenn ein „Mörder in ein Mietshaus flüchtet, müsste die Polizei ihn aushungern, wenn sie nicht weiß, in welchem Raum er ist“, ergänzt Meyer. „So war der Einsatz sowohl nach Strafprozessordnung als auch nach Polizeirecht rechtswidrig.“