Urdrüs wahre Kolumne
: Lothar darf leben

Vor einigen Wochen bat ich an dieser Stelle flehentlich darum, den friesischen Rennochsen Lothar als Star des Dangaster Freilicht-Theater Ensembles im Bühnenstück „Edo Wiemken“ nach Ablauf der Spielzeit nicht dem Beil des Schlachters zu überantworten. Inzwischen hat man diesen schnöden Plan verworfen, zumal auf Lothar inzwischen auch eine Filmkarriere wartet. Und die Welt, sie wird edler von Tag zu Tag, trotz alledem!

Wegen nicht bezahlter Handyrechnungen müssen tausende von Teenagern ihre Körper oder zumindest ihre getragenen Slips an geile Greise verkaufen und so mancher jugendliche Mofa-Fahrer entreißt deshalb netten Damen auf dem Kirchgang ihre Handtaschen. Und ausgerechnet da verbündet sich die evangelische Christenheit Hamburgs heute zu ihrer 5. Nacht der Kirchen mit dem rosaroten Imperium der Mobil-Kommunikation und lässt die Petrikirche mit einem riesigen Poster plakatieren, das dazu aufruft, sich dazu ein „Gloria sei Dir gesungen!“ von einer Technik-Box runterzuladen, die hinter den Kirchenfenstern versteckt ist. Mein Gott Israels würde dafür Pech und Schwefel regnen und die Blitze zucken lassen, wenn er so einen Schmuddelkram noch irgendwie Ernst nähme.

Alter sei keine Frage der Jahre, sondern des Zustands – so kündet der ehemalige Bücherverbrenner und jetzige Kulturstaatsminister Bernd E. Neumann seine Absicht an, noch einmal für die Bremer CDU in den Bundestagswahlkampf zu ziehen. Hat denn die frühere Waller Handballdame Jens Eckhoff als ehemalige Nachwuchshoffnung wirklich keinerlei Herrschaftswissen aus der unionsinternen Abhöraffäre in der Hinterhand, um dieses verschlammte Urgestein aus dem Verkehr zu ziehen?

Gleiches gilt für den Verrat der einst so wackeren GALier an ihrem Wahlvolk in Sachen Drecksburg. Hier begegnet uns genau das Phänomen des verkommenen Berufspolitikers, durch dessen Kritik die Familie Grünspecht einst ihren gesellschaftlichen Aufstieg begann. Und es gehört zur Dialektik der Entwicklung, dass damit auch der Niedergang zur FDP zweiter Klasse beginnt, denn das Völkchen ist mitunter blöde – aber doch nicht auf Dauer!

Während einer Auszeit in einer der neuerdings wieder reichlich verqualmten Eckkneipen von Hannover-Linden erlebe ich als Zaungast wahre Orgien des Volkszorns. Die Banker der bundeseigenen KFW werden vom Schöffengericht am Tresen zu Tauchgängen in verstopften Klärwerken verpflichtet oder zum Leben auf Hartz IV-Niveau verdonnert und „die blonde Hexe aus Franken“ soll sich wegen feindlicher Übernahme unserer schönen Conti-Gummiwerke mit dem nackten Arsch im Puffviertel am Steintor an die Mauer stellen – oder gleich ins Loch wandern: „Und Schlüssel rum und ab dafür!“ Klar, dass man in solchen Kneipen nur selten auf Banker und Finanzhaie trifft, wiewohl die Biere dort gepflegter und die Frikadellen gehaltvoller sind als in den Bars der Reichen und Schöngemachten.

Vermutlich waren es Marketing-Fachleute der Linkspartei, die zur Förderung des Sozialneids am Wochenende in Schleswig-Holstein ein Gourmet-Festival mit lauter Spitzenköchen inszenieren. Für die geizgeilen Sparfüchse unter den Besserverdienenden gibt es fünfgängige Menüs zum Dumping-Preis von 128 Euro und die meerumschlungene Popperjugend wird gar in der „Tour de Jeunesse“ für schlichte 70 Euro geatzt. Ein geschickter Schachzug, lobt schon mal im Vorhinein

ULRICH „RUNDSTÜCK“ REINEKING

ULRICH REINEKING, Journalist und Kabarettist, rettet Rennochsen und glaubt an den Gott, der Pech und Schwefel regnen lässt.