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: Ausweg nach Pjöngjang

Bietet der Konflikt mit Nordkorea der Bush-Administration einen gesichtswahrenden Ausweg aus der Sackgasse eines Krieges gegen Irak? Haben die Regierungen in Bagdad und Pjöngjang ihre Politik in den letzten Monaten gar koordiniert, um genau diese Situation herbeizuführen?

Kommentarvon ANDREAS ZUMACH

Über Letzteres wird zwar kräftig spekuliert. Beweise dafür gibt es aber bislang noch weniger als für neue Massenvernichtungswaffen im Irak. Seriöserweise ist die Möglichkeit einer Koordination zwischen Bagdad und Pjöngjang natürlich auch nicht völlig auszuschließen. Dass es in beiden Hauptstädten zumindest eine klammheimliche Freude gibt über das Dilemma, in dem die Bush-Administration derzeit steckt, davon kann man ausgehen. Denn die Bush-Administration hat sich dieses Dilemma selbst eingebrockt.

Sie hat Nordkorea, Irak und einige andere Staaten in den letzten zwei Jahren pauschal ohne jede Differenzierung und bislang ohne Beweis als „Achsenmächte des Bösen“ stigmatisiert oder als „Schurkenstaaten“, die Massenvernichtungsmittel an Terroristen liefern. In ihrer neuen „Nationalen Sicherheitsstrategie“ machte die Bush-Administration die ausdrücklichen Drohungen mit dem notfalls sogar „vorbeugenden“ Ersteinsatz atomarer Waffen gegen „Schurkenstaaten“ zur offiziellen Politik der USA. Diese grob völkerrechtswidrige Politik der USA ist bislang bei Deutschland und anderen westlichen Verbündeten nur auf beschämendes Stillschweigen gestoßen.

In Pjöngjang werden die Drohungen aus Washington aber als Aufkündigung der Sicherheitsgarantien verstanden, die die Clinton-Administration Nordkorea in den – bis heute geheimen – Zusatzprotokollen zum Abkommen von 1994 gegeben hatte. Diese Wahrnehmung in Pjöngjang ist sehr verständlich, auch wenn die Reaktion nicht akzeptabel ist, aus dem Abkommen auszusteigen und anzukündigen, die eigene Atomwaffenrüstung wieder aufzunehmen.

Die Regierungen in Washington sind „chronisch unfähig“, sich mit mehr als einer außenpolitischen Krise gleichzeitig zu befassen, hat Exaußenminister Warren Christopher dieser Tage festgestellt und Präsident Bush aufgefordert, der friedlichen Beilegung des Konflikts mit Nordkorea seine volle Aufmerksamkeit zu schenken. Sollte Bush jetzt dieser Aufforderung folgen, könnte er eines Tages den Machthabern in Pjöngjang danken müssen, ihn vor dem Irak-Abenteuer bewahrt zu haben.

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