Demofreie Zone Dezember

Einzelhandelsverband fordert künftig einen „Bann-Monat“ für Demonstrationen, um das Weihnachtsgeschäft nicht zu stören. 250 Millionen Euro Verlust im Vorjahr

Ludwig Görtz, der Vorsitzende des Hamburger Einzelhandelsverbandes, malt ein ergreifendes Bild: In der Weihnachtszeit wollten „Großeltern mit ihren Kindern in der Innenstadt die Stimmung genießen, und was fanden sie vor? Polizeiketten statt Lichterketten.“ Die Bambule-Demos im Dezember haben den Chef der gleichnamigen Schuhkette „außerordentlich abgestoßen“, und deswegen erhebt er für den Einzelhandel die Forderung: Es dürfe nicht nur Bannmeilen für Demonstrierende geben, sondern künftig auch einen „Bannmonat“.

Aus Sicht von Görtz, der im Vormonat Räume seines Unternehmens für ein Vermittlungsgespräch zwischen der Innenbehörde und Bambule zur Verfügung gestellt hatte, soll vom 1. bis zum 31. Dezember ein Demonstrationsverbot in der Stadt herrschen: „Der Handel muss geschützt werden“, sagt Görtz.

Auch sonst machte der Einzelhandelschef aus seinen Lobby-Wünschen keinen Hehl. So verlangte er für die Geschäfte in der künftigen HafenCity eine Ladenöffnung rund um die Uhr. Ohnehin müssten zumindest kleinere Betriebe das Recht auf 24-Stunden-Öffnung haben, „um das Monopol der Tankstellen zu brechen“.

Als Verteidiger der gegenwärtigen Pfründe des Handels präsentierte er sich auch im Hinblick auf die künftige Gestaltung der City. In die Europapassage am Ballindamm dürfe kein großes Einkaufszentrum einziehen, und die geplante Aufhübschung des Domplatzes gestalte sich „äußerst dürftig als Gemischtwarenladen“. Auch die HafenCity dürfe nicht „zu einer Duplizierung des Angebots aus der Mönckebergstraße“ verkommen.

Ansonsten gehe es dem Handel rechtschaffen schlecht, formulierte Einzelhandelssprecher Ulf Kalkmann bekannte Töne. 250 Millionen Euro habe man weniger eingenommen als im Vorjahr, das sei „ein schlechtes Ergebnis, wie wir es seit 50 Jahren nicht hatten“. Schuld sei die schwache Konjunktur und die „leidige Teuro-Diskussion“, die den Handel in einen „Strudel der Verunsicherung“ gerissen habe. Wobei er den Vorwurf zurückwies, der Handel sie mit überteuerten Preisen selber daran schuld: „90 Prozent haben sich an die Vorgaben gehalten.“

Dagegen habe die VerbraucherIn selbst eine Mitverantwortung, weil „man mit dem neuen Geld nicht so umgehen konnte wie mit der D-Mark“.

Gelitten haben laut Kalkmann vor allem Textil-, Möbel- und Schuhbranche. Dagegen habe sich alles, was mit dem Gesundheitsbereich zusammenhänge, gut gehalten – von Anti-Aging-Angeboten bis hin zu Vitaminpräparaten. Zudem geben die Leute immer noch viel Geld fürs Handy und fürs Internet aus – „das fehlt dann woanders im Handel“, so Kalkmann.

Licht am Ende des Tunnels sieht Kalkmann frühestens für das zweite Halbjahr 2003. 400-500 der insgesamt 10.000 Betriebe, so schätzt er, würden auch in diesem Jahr in Hamburg die Segel streichen müssen. Auch weil die großen Lebensmittelketten und Discounter mit Niedrigpreisen die kleinere Konkurrenz vom Markt drücken.

PETER AHRENS