geläufig Eine atonale Sprache

„Bei den Wahlen zum Deutschen Bundestag war das ganz klar, es gab eine neue antisemitische Sprache. Man gibt vor, Israel zu kritisieren, aber man erkennt sofort, dass es nicht um Israel, sondern um Antisemitismus geht.“ Dies sagte Imre Kertész (Foto) in der Zeit. Der Literaturnobelpreisträger liest heute mit Péter Esterházy aus ihrem gemeinsamen Buch „Eine Geschichte. Zwei Geschichten“. Den Nobelpreis an Kertész zu verleihen begründete die Schwedische Akademie in Stockholm damit, dass der Autor in seinem Werk die „Zerbrechlichkeit des Einzelnen in einem barbarischen Geschichtsverlauf“ zeige. Imre Kertész, 1929 in Budapest geboren, wurde 1944 nach Auschwitz deportiert und 1945 in Buchenwald befreit. Seit 1960 schrieb er an seinem „Roman eines Schicksallosen“, der 1975 in Ungarn und erst 20 Jahre später auf Deutsch herauskam. Wer heute wissen will, was dieser Mann zu berichten hat, der geht ins Berliner Ensemble und nimmt die Chance wahr, einen KZ-Überlebenden zu hören, der versucht, eine Sprache, seine Sprache zurückzubekommen. Kertész: „Als unser gesamtes Wertesystem zusammengebrochen ist, da fand ich, dass wir nicht nur ein neues Wertesystem sondern auch eine neue Sprache brauchten (…) Als ich mein erstes Buch ‚Roman eines Schicksallosen‘ geschrieben habe, musste ich entdecken, dass ich mit den alten Worten nur kritisch umgehen kann. Worte wie z. B. ‚Ehre‘, ,Anständigkeit‘. Worte, die positiv klingen, aber ausgeleert wurden. Da habe ich festgestellt, dass ich eine atonale Sprache brauche.“ LAB

Berliner Ensemble, 20 Uhr