berliner szenen Nachwuchs bei der BVG

Kontrolle ist Trend

Am Schlesischen Tor schließen sich gerade die U-Bahn-Türen, als noch schnell ein junges Pärchen in den Wagen gesprungen kommt. Er drückt die beiden Türflügel auseinander, sie gleitet an ihm vorbei. Dann stehen beide atemlos im Wagen. Sie im Army-grünen Parka mit Fellkapuze, er in einem schreiend gelben Secondhand-Pullover, beide mit sackenden Jeans und Turnschuhen. So, wie sie da stehen, würden sie in jedem Berliner Club vom Türsteher durchgewunken. Eine urbane Szene, schießt es einem durch den Kopf.

Doch dann greifen beide in ihre Trendklamotten, ziehen einen in Plastik eingeschweißten Ausweis hervor und drehen in einer geübten Choreographie einander den Rücken zu, um mit einem Blick ihre Hälfte des U-Bahn-Wagens zu überblicken. „Fahrkartenkontrolle, bitte mal die Fahrausweise.“ Moment mal, was ist denn mit der BVG los? Fahrkartenkontrolleure waren doch bisher immer auf 500 Meter gegen den Wind an ihren abgeranzten Klamotten und ihrem vom vielen unterirdischen Kontrollieren fahlen Teint zu erkennen. „Kontrollettis“, wie der Volksmund sie nennt, sind von dem Gram über ihre unwürdige Arbeit gebeugte Gestalten, die vor Scham nicht den Blick vom Boden heben können. Exemplare wie diese beiden Nachwuchs-Kontrollkräfte wurden früher ohne Fahrkarten erwischt, nicht als Kontrolleure eingestellt! Ist das Stammpersonal etwa geschlossen im verlängerten Weihnachtsurlaub? Auch den Mitreisenden ist der Paradigmenwechsel aufgefallen: Als die beiden Kontroll-Hipster den Wagen verlassen haben, sinniert auf der Nebenbank ein Alt-Berliner mit Schultheiss-Flasche in der Hand darüber, ob die „wohl ihre Strafe abarbeiten müssen.“ Hoffentlich ist es nur das. TILMAN BAUMGÄRTEL