Stiller Chemieunfall

Bei Nylonfabrik verschwinden 400 Tonnen Lösungsmittel in der Luft und im Boden. Bürger wurden nicht informiert

STRASSBURG dpa ■ Gegen ein Unternehmen im Elsass sind wegen eines erst jetzt bekannt gewordenen Chemieunfalls heftige Vorwürfe erhoben worden. Am 18. Dezember waren in dem Unternehmen in Chalampé an der deutsch-französischen Grenze große Mengen des giftigen und leicht entzündlichen Lösungsmittels Cyclohexan ausgetreten. „Die Verwaltung ist nicht über die mögliche Schwere des Unfalls informiert worden“, kritisierte am Donnerstag der Leiter des elsässischen Umwelt- und Industrieamtes DRIRE in Straßburg, Nicolas Imbert. Bis zum vergangenen Dienstag habe die Werksleitung den Vorfall vom Dezember als „banal und unbedeutend“ bezeichnet.

Der Leiter des zum französischen Rhodia-Konzern gehörenden Werks, Gilles Dussart, wies die Kritik zurück. Sein Unternehmen habe nichts vertuscht, zu keiner Zeit habe die Gefahr einer Explosion bestanden. Er sagte, rund 400 Tonnen Cyclohexan seien entwichen. Das Leck war erst nach 30 Stunden entdeckt worden. Ein Teil des flüchtigen Gases sei in die Atmosphäre gelangt, der Rest auf dem 200 Hektar großen Firmengelände versickert. Das Grundwasser sei nicht verseucht worden. Dann lieferte der Firmenchef einen Klassiker der Öffentlichkeitsarbeit: Die Bürgermeister der umliegenden Orte habe man zunächst nicht informiert, um die Bevölkerung vor Weihnachten „nicht unnötig zu beunruhigen“, so Dussart.

Die Präfektur in Colmar ordnete unterdessen eine Untersuchung an. Sie soll klären, ob das Unternehmen den Störfall vorschriftsgemäß gemeldet hat. Sollte Rhodia gegen Meldeauflagen verstoßen haben, werde dies juristische Konsequenzen haben, sagte ein Sprecher. Die deutschen Behörden seien nicht über den Vorfall informiert worden, weil das Unternehmen den Vorfall als unbedeutend eingestuft habe. Rhodia gilt als weltweit größter Hersteller von Nylon und beschäftigt in Chalampé 1.400 Menschen.