Tour der Jubelspanier

Alberto Contador gewinnt die Vuelta a España und gehört nun zu den wenigen Rennfahrern, die alle drei großen Landesrundfahrten gewinnen konnten. Nicht alle können sich darüber freuen

AUS MADRID TOM MUSTROPH

Gar nicht so überlegen wie zuletzt erwartet hat Alberto Contador die Vuelta a España gewonnen und damit seinen Dreifachtriumph bei den großen Rundfahrten perfekt gemacht. Im entscheidenden Bergzeitfahren am Samstag in den Bergen nordwestlich Madrids hatte der Favorit nach eigenen Angaben „schlechte Beine“. Seine Ortskenntnis hatte der Madrilene daher nicht in seinen dritten Etappensieg ummünzen können. Vielmehr hatte – wie auch schon beim ersten flachen Zeitfahren der Vuelta – Contadors Teamgefährte Levy Leipheimer das bessere Ende für sich gehabt. Der Amerikaner konnte von den 1:17 Minuten Rückstand aber nur 31 Sekunden wettmachen und belegt in der Gesamtwertung den zweiten Rang.

„Levy hätte unter anderen Konstellationen die Vuelta gewinnen können“, lobte Contador seinen Vize. Der gab artig zurück: „Ich bin mir nicht sicher. Ich konnte hier frei agieren und stand nicht unter dem Druck, siegen zu müssen.“ Eine gesunde Selbsteinschätzung des Mannes aus Montana, der seine besten Resultate gern dann erzielt, wenn er von der Bürde die Kapitänsamts frei ist. Für das Rennen immerhin war schön gewesen, dass Astana-Boss Johan Bruyneel Leipheimer bei dem 17,1-Kilometer-Ritt gegen die Uhr und gegen die Schwerkraft keine taktischen Bremsmanöver auferlegt hatte.

Contador hat die Vuelta-Krone durch seine eigene Leistung errungen. Ernüchternd war allerdings die Dominanz des Astana-Teams. Beide Zeitfahren und die beiden wichtigsten Bergetappen hatte das Duo Contador/Leipheimer geholt. Andreas Klöden, der durchaus eine Rolle bei der Verteilung der Podiumsplätze hätte mitspielen können, war bereits auf der vierten Etappe durch Sturzpech und Platten um alle seine Chancen gebracht worden und hatte daraufhin seine Kräfte in den Dienst der Mannschaft gestellt. Er konnte sich letztlich über seine Mitwirkung an einem historischen Erfolg freuen. Den Rundfahrt-Hattrick haben zwar auch schon die Legenden Merckx, Anquetil, Gimondi und Hinault hinbekommen. Contador brauchte für den Dreier aber nur vier Teilnahmen insgesamt. Vuelta und Giro hatte er gleich bei seinem Debüt eingesackt; nur bei der Tour hatte es zweier Anläufe (und des dopingverdachtsbedingten Ausschlusses des Dänen Michael Rasmussen) bedurft.

Contadors mögliche Verstrickung in die Dopingaffäre „Operacíon Puerto“ spielt bei den Jubelspaniern keine Rolle. Wie auch, wenn selbst der viel stärker belastete Alejandro Valverde – Blutbeutel, die ihm zugeordnet werden, sind mit Epo angereichert aufgefunden worden – gefeiert wird und in dieser Woche sogar zur WM antreten darf. In der Zeitfahrkonkurrenz stellen die Spanier mit Ruben Plaza übrigens einen in allen Phasen auf den Puerto-Listen verbliebenen Sünder auf. Sportminister Jaime Lissavetzky, der einst den scharfen Antidopingbesen schwang, hat sich mittlerweile aus reinem Opportunismus fürs Mitjubeln – und Wählerstimmen-Sammeln – umentschlossen.

Contadors historischer Coup wird so lange mit einer Fußnote versehen bleiben, so lange die Puerto-Affäre nicht geklärt ist. Vuelta-Direktor Victor Cordero brachte gegenüber der taz den unerschütterlichen Optimismus auf, dass eines Tages vielleicht doch noch Licht ins Dunkel gebracht werde. „Die Justiz hält die Dokumente noch immer unter Verschluss. Das ist bedauerlich. Aber das Verfahren ist noch immer offen.“

Tour-Sieger Carlos Sastre hatte als Einziger tapfer gegen Contador gekämpft. Auf der letzten Bergetappe am Freitag hatte er sogar versucht, sein Bravourstück von L’Alpe d’Huez zu wiederholen. Doch Contador hatte die Lücke, die seine Attacke gerissen hatte, schnell geschlossen. Sastre durfte bei der Vuelta nicht über den Beistand der Schleck-Brüder und der Lokomotiven Cancellara und Voigt verfügen. Die aufgebotene CSC-Truppe war zu schwach für die Astana-Armada. Sastre hatte sich gegenüber spanischen Medien auch über mangelnde Unterstützung seitens Bjarne Riis’ beklagt. Im Lager von CSC war diese Kritik schnell als „nicht existent“ deklariert worden. Sastres Entscheidung, gemeinsam mit seinem ewigen Begleiter Inigo Cuesta sowie dem sportlichen Leiter Scott Sunderland beim neuen Rennstall Cervelo anzuheuern, kann aber durchaus als Ausdruck von Spannungen bei CSC verstanden werden.