Grüne wollen mit Gabriel kuscheln

Trotz deftiger Wahlkampfparolen gegen den Ministerpräsidenten sehnt sich die niedersächsische Landespartei nach einem Bündnis mit der SPD. Auch der Regierungschef selbst hat die Hoffnung auf eine absolute Mehrheit inzwischen aufgegeben

aus Hannover JÜRGEN VOGES

Im Zeichen ordentlicher Umfrageergebnisse haben die niedersächsischen Grünen am Donnerstagabend die heiße Phase ihres Landtagswahlkampfs eröffnet. Bundesumweltminister Jürgen Trittin und die niedersächsische Spitzenkandidatin Rebecca Harms nahmen im hannoverschen Gewerbezentrum Werkhof auch den bislang allein regierenden Ministerpräsidenten Sigmar Gabriel kräftig aufs Korn, obwohl der SPD-Politiker der Wunschpartner der Grünen für eine Koalition nach der Landtagswahl am 2. Februar ist.

Trittin titulierte etwa den Ministerpräsidenten als „Alleinherrscher“, als „Harzer Roller“ oder „Flummi“, der mal diese und mal jene Position vertrete. Niemand könne sich besser um das „schwer erziehbare Kind Sigmar Gabriel“ kümmern als Rebecca Harms als künftige Vize-Ministerpräsidentin. Allerdings warnte der Umweltminister auch vor der Gefahr, dass „aus Frust über die Alleinherrschaft von Sigmar Gabriel“ doch noch der „Schüler-Unions-Funktionär“ Christian Wulff Ministerpräsident werden könnte.

Die Spitzenkandidatin Harms sprach von einer unter Gabriel erstarrten Landespolitik und warf dem Ministerpräsidenten vor, nur noch „mit peinlichen Kanzlerambitionen“ von sich reden zu machen. Dennoch hätten sich die Grünen in Niedersachsen frühzeitig für eine Koalition mit der SPD entschieden. Bei der Landtagwahl wolle man den schwarz-gelben Block stoppen und zeigen, dass es „in Deutschland eine ökologische, eine soziale Mehrheit gibt“.

Ihrer eigenen Partei sagte die langjährige Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion „das mit Abstand beste Wahlergebnis“ in Niedersachsen voraus. Nach der aktuellsten Erhebung, die Forsa für den Stern durchführte, würden gegenwärtig 10 Prozent der Niedersachsen den Grünen ihre Stimme geben.

Die bislang allein regierenden Sozialdemokraten, für die 1998 noch Gerhard Schröder einen Stimmenanteil von 47,9 Prozent erzielte, verlieren nach den Umfragen der letzten Wochen ihre absolute Mehrheit der Landtagssitze.

Inzwischen ist Schröders Nach-Nachfolger Gabriel, der zum ersten Mal als Spitzenkandidat in eine Landtagswahl zieht, sogar so weit abgesackt, dass es womöglich auch für ein rot-grünes Bündnis nicht mehr reicht. Nach der Forsa-Umfrage liegt die SPD mit nur noch 36 Prozent gleich um zehn Punkte hinter der CDU. Zudem sieht die Umfrage die seit 1994 nicht mehr im Landtag vertretene FDP ganz knapp über der Fünfprozenthürde.

Selbst Gabriel bezeichnete Rot-Grün in Niedersachsen jüngst als „zweitbeste Lösung“. Damit verabschiedet er sich vom Wahlziel der absoluten Mehrheit. Das Ansehen der niedersächsischen SPD leidet nicht nur unter dem bundesweiten Stimmungstief. Auch Gabriel selbst erweist sich als zu ehrgeizig, verstrickt sich in überflüssige Händel mit der Bundesregierung und lässt kein Fettnäpfchen aus. Er kann nur hoffen, dass am Wahltag die langfristigen Orientierungen der Wähler den Ausschlag geben.