Arbeitslose sind wenig mobil

Eine Umfrage zeigt: Die deutliche Mehrheit ist für einen neuen Job zu einem Berufs-, nicht aber zu einem Wohnortwechsel bereit

BERLIN taz ■ Nicht nur die Arbeitslosenzahlen für Dezember wurden gestern verkündet. Im Januar gibt die Bundesanstalt stets auch einen Rückblick auf das vergangene Jahr. Und dieser ist bei näherem Hinsehen sehr aufschlussreich. Zunächst die nackten Tatsachen: Der Jahresdurchschnitt an Arbeitslosen lag 2002 schlicht um gut 200.000 Menschen höher als 2001. An der Verteilung zwischen Ost und West hat sich nicht viel geändert, nach wie vor ist die Arbeitslosenquote im Osten mehr als doppelt so hoch wie im Westen. Im Jahresdurchschnitt lag sie im Osten bei 18,0 Prozent, im Westen bei 7,9 Prozent.

Im Osten, so die Analyse der Bundesanstalt für Arbeit, sei die Quote 2002 jedoch nur halb so stark gestiegen wie im Westen. Warum? Weil immer mehr Ostler ihre Arbeitssuche in den Westen verlagern: „Abwanderung“ und „Pendlerströme“ sind die Stichworte.

Eine relativ erfreuliche Nachricht ist, dass sich die Geschlechterrutschbahn langsam begradigt. Die Arbeitslosigkeit der Frauen erhöhte sich im Jahresdurchschnitt nur um 2 Prozent, die der Männer dagegen um 9 Prozent. Den Grund sieht die Bundesanstalt darin, dass vor allem das männerdominierte produzierende Gewerbe 2002 gebeutelt wurde. Kehrseite dieser Nachricht: In eben diesem produzierenden Gewerbe arbeiten überdurchschnittlich viele Ausländer: Die Arbeitslosenquote unter ihnen war 2002 etwa doppelt so hoch wie die unter Deutschen.

Die Forschungseinrichtung der Bundesanstalt, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), hat untersucht, wie die Arbeitsmarktpolitik des letzten Jahres die Zahlen beeinflusst hat. Dabei stellte sich heraus, dass insbesondere die Vorruhestandsregelungen die Arbeitslosenzahlen schönen: 2002 verschwanden 57.000 Menschen mehr aus der Statistik in den Ruhestand als im Jahr zuvor.

Aber auch die sonstigen Abmeldungen sind gestiegen. Den Grund sieht das IAB in der Politik des „Förderns und Forderns“, das noch Arbeitsminister Walter Riester mit dem „Job-Aqtiv-Gesetz“ eingeführt hatte. Es verlangt, dass Arbeitslose sich mehr als zuvor um eine neue Stelle bemühen. Die Folge: Die Abgänge aus der Arbeitslosenstatistik wegen „mangelnder Mitwirkung“ oder „Nichterneuerung der Meldung“ stiegen rasant an: Im Jahresschnitt um 10 Prozent, im Dezember sogar um 23 Prozent.

Das war vielleicht als Nebeneffekt des Job-Aqtiv-Gesetzes geplant, der Haupteffekt, nämlich eine schnellere Vermittlung, wurde nicht erzielt: „Die Dauer der Arbeitslosigkeit hat sich praktisch nicht geändert“, heißt es aus der Bundesanstalt, von 34,1 Wochen ist sie auf jetzt 34,0 Wochen gesunken.

„Fördern und Fordern“ trifft bei Arbeitslosen nicht nur auf passiven Widerstand. Der überwiegende Teil von ihnen, so fand das IAB heraus, würde den Beruf wechseln, wenn ihnen dies einen neuen Job verspräche. 59 Prozent sogar „ohne weiteres“, weitere 28 „ungern“, aber dennoch. Ebenso viele können sich „wechselnde Arbeitszeiten“ vorstellen. 42 Prozent würden sofort einen längeren Weg zur Arbeit in Kauf nehmen, weitere 43 ungern, nur 13 Prozent „auf keinen Fall“. Am wenigsten akzeptiert wird der Wechsel des Wohnortes. Nur 11 Prozent würden dies „ohne weiteres“ tun, 26 Prozent „ungern“, 63 Prozent „auf keinen Fall“. Falls das Hartz-Konzept Wirklichkeit wird, das einen Wohnortwechsel zumindest für „ungebundene“ Menschen vorsieht, kommen auf diese schwere Zeiten zu. HEIDE OESTREICH