Rede an den Nagel gehängt

Polizeipräsident verzichtet auf Rede-Auftritt mit PDS-Mann Gysi, nachdem ihm Innenstaatsrat Wellinghausen seine Worte vorschreiben wollte. Schill will nicht mit Gysi zusammen gesehen werden

von PETER AHRENS

Der PDS-Popstar Gregor Gysi hatte an diesem Abend ein aufmerksames Publikum: Diverse Reeder, ein Generalmajor der Bundeswehr, Tagesschausprecher Jo Brauner, Ex-Bürgermeister Henning Voscherau. Auf den Innensenator als Zuhörer musste der Redner Gysi beim alljährlichen Neujahrsempfang des Blankeneser „Klönschnack“ am Donnerstagabend im edlen Restaurant Louis Jacob an der Elbchaussee allerdings verzichten. Ronald Schill hatte seinen Besuch mit Hinweis auf Gysis PDS-Mitgliedschaft abgesagt. Und auch der neben Gysi ebenfalls verpflichtete Gastredner, Polizeipräsident Udo Nagel, sagte kurzfristig ab. Nachdem Schill und sein Staatsrat Walter Wellinghausen Nagel vorschreiben wollten, was er bei der Rede zu sagen hat, verzichtete der Polizeipräsident auf Rederecht und Besuch.

Offiziell, so Polizeisprecher Reinhard Fallak, hat Nagel „aus persönlichen Gründen“ abgesagt: „Alles weitere möchte Herr Nagel nicht nach außen dringen lassen.“ Tatsächlich hatte Innenstaatsrat Walter Wellinghausen, so heißt es, das Redemanuskript Nagels im Vorfeld der Veranstaltung angefordert und massive Änderungen darin vorgenommen. So soll Wellinghausen seinem Polizeichef mehrere PDS-kritische Äußerungen in den Redetext hineingeschrieben haben. Als dem Polizeichef diese Neufassung präsentiert wurde, sagte Nagel den Termin lieber ab, als diese Rede zu halten.

Schill hatte seine Haltung zuvor schon klar gemacht. „Aus Respekt“ vor denen, denen die SED im Osten Leid zugefügt habe, könne er eine Veranstaltung mit Gysi nicht besuche, hatte er in der BILD-Zeitung verkündet. Wenn er schon nicht da war, wollte die Behördenspitze dann zumindest Nagel als Speerspitze gegen den PDS-Mann benutzen. „Nagel wird jetzt wohl langsam klar, auf welches Himmelfahrtskommando er sich hier in Hamburg eingelassen hat“, kommentiert SPD-Innenpolitiker Michael Neumann den Vorgang.

Der Polizeipräsident müsse selbst entscheiden, „wie lange er das noch mitzumachen gewillt ist“. Schill habe sich wieder einmal als „politischer Desperado“ erwiesen. Dass der Polizeichef von sich aus darauf verzichtet habe, die Gängelei durch Wellinghausen mitzumachen, wertete Neumann: „So einen Polizeipräsidenten kann man sich eigentlich nur wünschen.“

Gysi selbst nahm die Absage des Innensenators gelassen hin. Er habe so etwas ähnliches von Schill schon erwartet, stellte der frühere Parteichef und ehemalige Berliner Wirtschaftssenator fest.

Der so Gescholtene war dann wenigstens gestern Vormittag beim Neujahrsempfang des Hamburger Abendblattes im Hotel Atlantic präsent – obwohl er im Unterschied zu Wellinghausen nicht auf der offiziellen Gästeliste stand. „Herr Schill hat so kurzfristig zugesagt, dass wir ihn nicht mehr auf der Liste aufnehmen konnten“, begründet Sylvie Rundel, die Sprecherin des Axel-Springer-Verlages die Nichtnennung.

So konnte denn auch Schill als einer von über 1000 Gästen Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner lauschen, der behauptete: „Das Hamburger Abendblatt war und ist die modernste deutsche regionale Tageszeitung.“