Entmilitarisierte Architektur

Die Hamburger Architekten Böge und Lindner machten aus den ehemaligen Mannschaftsunterkünften auf dem Gelände der International University Bremen das Alfried-Krupp-College. 4. und letzter Teil der BDA-Preisträger-Serie

Aus der Zeilengruppe galt es die soziale Einheit „College“ zu formen

Nähert man sich vom neu gestalteten Bahn-Haltepunkt Schönebeck kommend dem Gelände der International University Bremen (IUB), ist der Charakter seiner vormaligen Nutzung noch sehr bestimmend. Ein organischer Übergang, eine großzügige Öffnung zur vorstädtischen Nachbarschaft steht noch als Gestaltungsaufgabe an.

Wesentlich gewandelt hat sich der Eindruck aber auf dem ehemaligen Kasernenareal selbst. Zwar stehen die Gebäude noch in der selben Formation wie ehedem, aber den Gartenarchitekten ist es gelungen, durch sanfte Modulierung des Bodens und durch ein fließendes Rasengrün einen überzeugenden Kontrapunkt zu allem Zackigen und Eckigen zu setzen, das zuvor den Ton angab. Der alte Baumbestand tut ein übriges zur Verwandlung einer Kaserne in das Bild eines Campus.

Die Architekten hatten es da schon etwas schwerer, eigene Form-Akzente neben dem architektonisch schlichten aber baulich soliden Bestand unterzubringen. Denn der sollte ja grundsätzlich erhalten bleiben.

Bei dem nicht gerade üppigen Budget des IUB-Projektes sind Neubauten zunächst die Ausnahme. Inzwischen ist es dem Hamburger Büro Böge und Lindner, dem aufgrund eines 1999 gewonnenen Wettbewerbs die architektonische Gesamtkonzeption der IUB obliegt, gelungen, mit dem ersten größeren Neubau auch ein „architektonisches Zeichen für den Wandel“ zu setzen, so der Erläuterungsbericht. Und zwar hervorragend gelungen, wie die BDA-Jury fand. Sie lobte, neben anderem, „das durchgängige Feingefühl der Detaillierung“.

Der preisgekrönte Bau, das Alfried-Krupp-College, ist das erste von drei Colleges, die am Ostrand des Campus entstehen. Das zweite, architektonisch nahezu identische, ist in Kürze fertiggestellt. Selbst bei diesen beiden Objekten besteht das Gros der Substanz aus Altbauten – die in diesem Fall aber noch gar nicht so alt sind: die Mannschaftsunterkünfte aus den 70er und 80er Jahren, Dreiergruppen von dreigeschossigen Backsteinzeilen, deren Anmutung Architekt Jürgen Böge umschreibt mit dem Prädikat: „von brutaler Banalität“. Aus der Zeilengruppe galt es eine Einheit zu formen, die der sozialen Einheit „College“ entspricht, dem Wohn-, Arbeits- und Lebensmittelpunkt von rund 190 Studierenden.

Die Lösung der Architekten ist ebenso einfach wie wirkungsvoll. Die Zeilen werden an der Südseite durch einen dreigeschossigen Riegelbau kurzgeschlossen, der unten den Speiseraum, oben Apartments aufnimmt. Dem Riegel vorgelagert ist ein viergeschossiger Kubus mit Sonderräumen wie der Küche und – ganz oben – der so genannten Masterwohnung: Nach dem etwas romantischen College-Ideal soll ein Professor oder eine Professorin eine Art Hausvater oder -mutter abgeben.

Im architektonischen Ausdruck setzen Riegel und Kubus auf deutlichen Kontrast. Während der Riegel mit seinem lebhaften Wechsel vertikaler Glas- und Aluminiumfelder Leichtigkeit und Frische ausstrahlt, suggeriert der Kubus mit seiner Verkleidung aus horizontal angeordneten schwarzen Zinkblechstreifen, die entfernt an massive Mauerquader erinnern, Schwere und Gesetztheit.

Die meisten Studentenapartments liegen in den Altbauten. Hier haben die Architekten jeweils drei Fensterachsen zu einer Wohneinheit für zwei Studierende zusammengefasst. Durch geschickte Farb- und Lichtgestaltung gelingt es, in den innenliegenden Fluren einen klaustrophoben Eindruck zu vermeiden: nur eines von vielen Beispielen für die gestalterische Präzision en détail.

Bei dem geringen Etat bleibt es jedoch nicht aus, dass ästhetische Unstimmigkeiten Architekt Böge Sorgenfalten bereiten – wie die elefantösen IKEA-Sitzgruppen, die von der preisbewussten IUB-Verwaltung bestellt wurden. Um die Verwirklichung anderer Ideen kämpft er noch, so um die Außenbegrünung der Altbauten. Ihr gestalterisches Gegenstück ist bereits verwirklicht: eine inszenierte steinerne Kargheit in den beiden Höfen zwischen den Zeilen.

Eberhard Syring

Die BDA-Preise vergibt der Bund Deutscher Architekten am Sonntag, 12. Januar, um 11.30 Uhr in der Unteren Rathaushalle. Die Eröffnungsreden halten Senatsbaudirektor Uwe Bodemann, die Vorsitzende der Jury, Rebecca Chestnut, und der Vorsitzende des BDA im Lande Bremen, Ulrich Tilgner. Gleichzeitig wird am Sonntag die Ausstellung aller eingereichten Arbeiten eröffnet. Zu sehen ist die Ausstellung bis 24. Januar täglich von 11 bis 18 Uhr