tonspur
: Ab jetzt gibt’s was auf die Ohren

Mein Name ist Verona. Seit langer Zeit stehe ich auf dem Bürgersteig vor einem Gerümpelladen, friere mir die Röhren ab und warte sehnsüchtig darauf, dass mich jemand mitnimmt. Aber die meisten Leute würdigen mich keines Blickes. Dabei bin ich eigentlich ganz hübsch, mit Verlaub. Ich habe ein braun-beiges Gehäuse und zwei helle, goldumrandete Knöpfe. Okay, ich bin nicht mehr die Jüngste und das „V“ meines Namensschriftzuges ist etwas abgebrochen. Aber muss ich deshalb hier vergammeln?

 Doch seit ein paar Tagen bin ich voller Hoffnung. Regelmäßig kommt eine Frau vorbei und betrachtet mich interessiert. Einmal hat sie sogar den Staub von meinem Kopf gepustet. Jedes Mal bricht mir fast das Herz, wenn sie mich erneut hier in der Kälte stehen lässt. Doch gestern – endlich – hat sie den Gerümpelmann gefragt, was ich kosten solle. 20 Euro wollte der – obwohl mein Stecker kaputt ist. Die Frau fragte, ob ich überhaupt noch funktioniere. Da schleppte mich der Türke in seinen Laden und stopfte einfach meine lose hängenden Kabelenden in die Steckdose. Es tat ein bisschen weh, aber ich biss die Zähne zusammen und fing leise an zu rauschen. Die beiden einigten sich daraufhin auf einen Preis von 15 Euro inklusive eines neuen Steckers. Endlich durfte ich hier raus. Nur um meinen Kumpel Freudenstadt von Saba tat es mir ein bisschen leid. Er muss weiter auf dem Bürgersteig ausharren. Kein Wunder, ist er doch nicht gerade der Schlankeste und soll satte 80 Euro kosten.

 Ich freute mich auf mein neues Zuhause. Die Frau trug mich vorsichtig in ihre Wohnung, staubte mich ab und reparierte meinen Stecker. Dann bekam ich ein gemütliches Plätzchen im Wohnzimmer. Und dort ging ich auf Empfang. Ich war ein bisschen aus der Übung, aber nach einer Weile wurde aus dem Rauschen eine Sendung. Der Deutschlandfunk berichtete über die Wohnungsgenossenschaft „Freie Scholle“ in Bielefeld. Die Frau drehte an meinem Knopf. Da sangen die Pet Shop Boys auf Radio Eins und im Jugendradio Fritz wurde hipgehoppt. Irgendwie komisch, diese neue Musik aus meinem alten Lautsprecher, ich hätte eigentlich mit einem Oldie aus den 60ern gerechnet. Schließlich lauschte meine neue Besitzerin noch den 19-Uhr-Nachrichten im Deutschlandradio, anschließend vernachlässigte sie mich ein bisschen. Aber das machte nichts. Ich war glücklich und dudelte einfach vor mich hin.

 Das soll in Zukunft anders werden. Denn ich stehe ab sofort und hier im Mittelpunkt des Interesses. Ich werde versuchen, das Radio für taz-Leser wieder interessanter zu machen. Wobei: So schlecht, wie man denken könnte, ist es um das Radio gar nicht bestellt: Immerhin radiohören die Deutschen im Durchschnitt 216 Minuten am Tag – gegenüber 205 Minuten Fernsehen. Dennoch ist, was im Rundfunk passiert, längst nicht so präsent wie das TV-Geschehen samt fernsehpolitischer Entscheidungen.

 Worum es mir in meiner samstäglichen Kolumne auch nicht vordringlich gehen soll. Vielleicht schnappe ich mal eine Geschichte aus den Chef- und unteren Etagen der Rundfunkanstalten auf. Oder darüber, wie meine Geschwister den Einwohnern der Salomonen-Insel das Leben retteten, weil in ihnen rechtzeitig vor einem Wirbelsturm gewarnt wurde. Möglicherweise kann ich auch mal einen Blick zurück auf die Geschichte des Rundfunks werfen und die eine oder andere Anekdote ausgraben. Eigentlich aber wurde ich deshalb eingekauft, weil ich für die Leser hören und das Gehörte aufschreiben soll. Features, Reportagen, Hörspiele, aber auch komische Kuppel-Shows oder mittelprächtige Medizin-Magazine – ich werde versuchen, eine kleine Auswahl zu treffen um zu empfehlen oder gegebenfalls zu warnen. Und damit Sie auch alle schön unkompliziert die richtige Wellen finden, zu Beginn ein Tipp aus einem Konkurrenzmedium: Unter www.ukwsender.de findet man alle Rundfunkfrequenzen für sämtliche Städte und Gebiete Deutschlands. Na dann mal los, ordentlich die Ohren putzen! Ich bereite mich auch schon mal auf nächsten Samstag vor.

VERONA VON BLAUPUNKT