Ökostrom wird Industrie zu teuer

Das Gezerre um Strom aus Wind und Sonne geht in eine neue Runde. Wirtschaftsministerium will Firmen vor steigenden Kosten bewahren, Umweltminister Trittin mag das nicht einsehen. Die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes beginnt jetzt

von HANNES KOCH

Die Zeiten, in denen der Bundeswirtschaftsminister für Strom aus Wind und Sonne zuständig war, sind vorbei. Trotzdem machen sich die Beamten von Ressortchef Wolfgang Clement (SPD) weiterhin intensive Gedanken um die erneuerbaren Energien. Nicht immer zur Freude von Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne), der seit den Koalitionsverhandlungen im Oktober 2002 offiziell die Federführung für das Thema innehat. So werden in diesen Tagen alte Gräben neu ausgehoben: Während das Umweltministerium die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vorbereitet, weiß das Wirtschaftsministerium eines schon genau: Ökostrom schadet der Industrie.

Das Wirtschaftsministerium weist darauf hin, dass gerade die Aluminiumindustrie, die besonders viel Elektrizität braucht, unter der Förderung der Öko-Energien zu leiden beginne. Clements Mitarbeiter fordern deshalb, die Belastung der Wirtschaft zu reduzieren. Für Großverbraucher soll die Umlage, mit der alle Konsumenten die Windräder und Solaranlagen finanzieren, ab einer bestimmten Menge Strom sinken. Konsequenz: Entweder würden die Stromkosten für die Privatverbraucher steigen oder die Finanzmittel zur Förderung der sauberen Energien sinken.

Als Beispiel für diese Argumentation führt das Wirtschaftsministerium die Trimet Aluminium AG mit Hauptsitz in Essen an. 2002 habe die Firma rund 9 Millionen Euro bezahlt, 2003 seien es 13 Millionen und danach bald 20 Millionen.

Das System der Ökostrom-Finanzierung funktioniert so: Die Betreiber von Wind- und Solaranlagen bekommen von den Besitzern der Stromnetze Geld für jede in die Leitungen eingespeiste Kilowattstunde. Bei Windkraft beträgt die gesetzliche Vergütung anfangs 9,1 Cent. Diese Kosten legen die Netzbetreiber auf die privaten Verbraucher und Firmen um. In diesem Jahr müsste Großabnehmer Trimet-Aluminium deshalb 0,34 Cent pro verbrauchter Kilowattstunde Strom zahlen, heißt es im Wirtschaftsministerium. Und die Kosten nähmen zu, da die Menge des Ökostroms anwachse.

Auch der Vorsitzende der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, Hubertus Schmoldt, hat sich in einem Brief an Umweltminister Jürgen Trittin besorgt geäußert. In seiner Antwort bezweifelt Trittin die Rechnung der Industrie jedoch und stellt fest, dass die zusätzliche Belastung durch Ökostrom nur etwa 0,18 Cent pro Kilowattstunde ausmache. Die Begrenzung der Kosten für die Industrie sei deshalb nicht notwendig.

Dass die Lobbyarbeit der großen Stromverbraucher jetzt einsetzt, ist kein Zufall. Sehr bald will Trittin den rot-grünen Fraktionen ein Eckpunktepapier über die Novelle des EEG zuleiten. Bis zum Sommer soll der Gesetzentwurf den Bundestag passiert haben.

Denn auch Umweltministerium und Regierungsfraktionen ist klar, dass das Ökostrom-Gesetz renovierungsbedürftig ist. An Orten mit viel Wind verdienen sich manche Betreiber dank der neuen, leistungsstarken Windräder mittlerweile eine goldene Nase. Die Förderung könnte hier durchaus sinken. Für schlechte Standorte müsse sie dagegen angehoben werden, heißt es im Hause Trittin.

Vor Letzterem wiederum warnt Stephan Kohler, Chef der Deutschen Energieagentur, an der auch der Bund beteiligt ist. Kohler hält die Belastung der stromintensiven Industrie mittlerweile für eine „relevante Größe“. Sein Kompromissvorschlag: Wenn man die Förderung an den guten Windstandorten reduziere, an den schlechten aber nicht um ähnliche Summen erhöhe, lasse sich zumindest die Kostenzunahme für Unternehmen wie Trimet in Grenzen halten.