Schüttelfrost in Deutschland-Ost

Länder und Kommunen halten die Tariferhöhungen im öffentlichen Dienst für unbezahlbar. Sie kündigen Stellenabbau an, fordern Finanzreform und drohen mit Flucht aus Tarifgemeinschaft

BERLIN taz ■ Der Tarifabschluss für die 2,5 Millionen Arbeiter und Angestellten des öffentlichen Dienstes hat gestern einen Protestschrei von Landes- und Kommunalpolitikern aus allen politischen Lagern ausgelöst. Mehrere Bundesländer wollen nun prüfen, ob sie dem Beispiel Berlins folgen und aus dem Arbeitgeberverband austreten. Vertreter von Städten und Gemeinden kündigten einen weiteren Stellenabbau an und bekräftigten ihre Forderung nach einer grundlegenden Finanzreform.

Den Kommunen breche der Abschluss vom späten Donnerstagabend, der bei einer Laufzeit von 27 Monaten Lohn- und Gehaltssteigerungen von insgesamt 4,4 Prozent vorsieht, „finanziell endgültig das Genick“, sagte der Gelsenkirchener Oberbürgermeister Oliver Wittke (CDU). Sein Aachener Amtskollege Jürgen Linden (SPD) bezeichnete das Tarifpaket als „unbezahlbar“. Das Ergebnis setze kein Zeichen für eine Strukturveränderung. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund verlangte, die Mehrausgaben durch einen höheren Anteil an der Gewerbesteuer zu kompensieren.

Besonders scharf fiel die Kritik in Ostdeutschland aus, wo die öffentlichen Arbeitgeber zusätzlich die Anhebung der Einkommen von derzeit 90 Prozent des Westtarifs auf 100 Prozent im Jahr 2009 verkraften müssen. Der Magdeburger Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) kündigte die Streichung von 400 bis 500 Stellen innerhalb von vier Jahren an. Der brandenburgische Städte- und Gemeindebund warf den Verhandlungsführern vor, sie hätten „Verrat an der eigenen Truppe“ begangen.

Sachsen-Anhalts Finanzminister Karl-Heinz Paqué (FDP) will jetzt „sehr intensiv“ über einen Austritt aus dem Arbeitgeberverband nachdenken. Sein rheinland-pfälzischer Amtskollege Gernot Mittler (SPD) drohte ebenfalls mit einem solchen Schritt. Auch Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) sprach von Überlegungen, „dass wir aus der Tarifgemeinschaft aussteigen“.

Unklar ist noch, ob der Tarifabschluss auch auf die Beamten übertragen wird. Ihre Besoldung wird per Gesetz festgelegt. Dabei wich der Bundestag bereits häufiger von den Vorgaben der Tarifabschlüsse ab. RAB

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