Der leise Wind des Schicksals

Eine Groteske aus den Zeiten der Anthrax-Hysterie: Nachdem zwei Studenten die Polizei im Oktober 2001 über ein merkwürdiges Päckchen informiert hatten, kamen sie ins Krankenhaus. Einer soll dafür jetzt gut 1.000 Euro zahlen

Als die Bremer Kunststudenten Ole Wulfers und Stefan Jeep das braune Paket am Bauwagen im Hemelinger Hafen liegen sahen, schwante ihnen gleich nichts Gutes. Wer stößt in Zeiten allgemeiner Milzbrand-Hysterie schon gerne auf ein herrenloses Paket mit der Aufschrift: „Dies ist der leise Wind des Schicksals“?

„Das war doch genau die Terminologie“, erinnert sich Ole Wulfers an diesen Sonntag im Oktober 2001, als er für seine Abschlussarbeit an der Hochschule für Künste Filmaufnahmen machte – und an die folgende, fast schlaflose Nacht.

„Um fünf Uhr früh kamen Feuerwehrleute mit Mundschutz und warfen mich aus dem Bett“, berichtet der mittlerweile diplomierte Kunsthochschulabsolvent und Filmemacher. Per Ambulanz ging es in die Sankt-Jürgen-Klinik. Dort lagen, in einem eigens eingerichteten Quarantäne-Zimmer, bereits ein Bereitschaftspolizist und Kommilitone Stefan Jeep in den Betten. Beide im klinikeigenen Nachtkittel. „Die Klamotten hatte man uns weggenommen. Es war irgendwie absurd“, sagt der heute 37-jährige Wulfers.

Noch absurder findet er, dass er nun die Rechnungen für Krankenwagen und Klinikaufenthalt zahlen soll. „Über 1.000 Euro für knapp zehn Stunden.“ Denn schon mittags hatte sich, nach einer Suchanzeige im Radio, der Absender des ominösen Päckchens gemeldet. Hanuta sei drin, ein Zwölferpack, für einen Bauwagenfreund, der den „Wind des Schicksals“ sicher richtig verstanden hätte.

Doch es war anders gekommen. Bei den Filmarbeiten hatten die Studenten das Päckchen angefasst – und später am Abend ging Stefan Jeep zur Polizei. „Falls was passiert wäre, hätte man uns doch im Verdacht gehabt“, sagt er. Schließlich hatten die beiden Träger des Bremer Förderpreises für Bildende Kunst von 1999 damals stundenlang im Hafen gedreht.

Im Innenstadtrevier jedoch entglitt Jeep die Sache. „Ich musste mit zum Fundort, dann kamen irre viele Polizisten und auch Sprengstoffexperten“, sagt er. Die Beamten nahmen den Fund ernst. Nur einer wagte, das eigentümliche Päckchen zu öffnen – bis er auf eine Plastikumhüllung stieß. Es war jener Beamte, der später auch in Quarantäne saß. Dann schickten die Sicherheitskräfte einen Krankenwagen, um auch Mitfilmer Wulfers in Quarantäne zu stecken. Rund 125 Euro allein hat dessen Krankenfahrt gekostet – die Wulfers’ Mutter jetzt widerstrebend bezahlt hat. Vor Weihnachten hatte der Gerichtsvollzieher bei ihr geklingelt.

Sein Kommilitone hat dieses Problem nicht – Jeep war krankenversichert, mit minimaler Eigenbeteiligung. Trotzdem nimmt ihn der Ausgang dieses Polizeieinsatzes mit. „Wir haben uns wie brave Staatsbürger verantwortungsbewusst verhalten“, sagt Jeep. Dass sein Freund, der knapp bei Kasse ist, nun so viel zahlen soll, macht ihm zu schaffen. „Ole hat doch den Krankenwagen nicht bestellt“, sagt er. Auch erinnert er sich an die Worte eines „wichtigen Feuerwehrmannes“, der ihn nach der Entlassung quasi getröstet habe: „Für uns war das wie ein großer Probealarm.“ ede