Zorros vor der Leinwand

Bei den deutschen Degen-Meisterschaften versucht der Deutsche Fechter-Bund, neue Wege zu gehen. Diese führen ihn in ein Großraumkino, wo Claudia Bokel und Daniel Strigel die Titel gewinnen

aus Hamburg OKE GÖTTLICH

Es läge nahe, Fechten, genauer Degenfechten, als Sportart am Rande des öffentlichen Abgrundes, für die Rehabilitation eventgeschädigter Sportfreunde zu verschreiben. Lang gereifte Tradition ergänzt sich mit ruhigen Gefechten, die vor allem dank ausgeprägtem Defensivverhaltens titelbringend umgesetzt werden. Laaaangweilig, aber Balsam auf die Seelen derer, die sich allzu häufig darüber wundern, dass Sportveranstaltungen heutzutage nur noch die Verlängerung des allsamstäglichen Besuchs in der vorstädtischen Großraumdiskothek bedeuten.

Durch die Zusammenarbeit des reformwilligen Deutschen Fechter-Bundes (DFeB) und der Olympia für Hamburg 2012 GmbH musste nun allerdings die Befürchtung wachsen, dass selbst Fechten als Sportoase der Stille abgeschafft wird, ist die Bewerberfirma doch eher für wattstarke Auftritte bekannt. Solcherlei Befürchtungen stiegen mit der Bekanntgabe, die Finals der deutschen Meisterschaften im Degenfechten nun zwar nicht gerade in einer Großraumdisko, aber immerhin in einem Großraumkino stattfinden zu lassen. Also: Lasershow, Popcorn und Dolby-Surround? Denkste. Genauso wenig, wie die propagierte Faszination „von der Leinwand, vor die Leinwand“ (Pressetext) wirklich stimmig war, selbst wenn James Bond und Zorro so manche Fechtfantasien anregen mögen. Die erstmals in einem Kino und gemeinsam ausgetragene Frauen- und Männerkonkurrenz zeigte vielmehr, wie homogen die Zusammenführung zwischen Inszenierung, Spektakel und Sport auf gleichberechtigte Weise geschehen kann.

„Es sollte keine reine Showveranstaltung werden“, erklärt DFeB-Präsident Gordon Rapp. Über 1.000 Besucher kamen, um auf der Kinobühne die neuen deutschen Meister Claudia Bokel und Daniel Strigel aus Tauberbischofsheim zu sehen. Nach den Skandalen um den ehemaligen Trainer Emil Beck versucht der DFeB nun wieder „über positive Schlagzeilen zurück ins mediale Interesse zu finden“, bestätigt Rapp. Doch abseits des Interesses ist es dem DFeB bislang schwer gefallen, sich neue Wege in der Präsentation seiner drei Disziplinen (Degen, Säbel, Florett) zu erschließen. Nun will man mit „einem kompakten Rahmen“ (Rapp) medienwirksamer erscheinen.

So fanden die Halbfinal- und Finalkämpfe innerhalb von zwei Stunden und zu einem Zeitpunkt statt, zu dem Fernsehanstalten noch die Möglichkeit blieb, am selben Tag von den Ereignissen zu berichten. „Eine Sache, die uns mit den abendlichen Gefechten lange zum Vorwurf gemacht wurde“, gibt Max Geuter, Vizepräsident des Fechtweltverbands, zu. Erstmals wurde bei einer deutschen Meisterschaft auch Eintritt verlangt, was aufgrund der „noch nie so guten Zuschauerresonanz“ (Rapp) als Zeichen bewertet wurde, „dass unser Produkt werthaltig ist“. Insofern konnte das Experiment der Degenfechter – raus aus den Schulturnhallen, hinein in den Kinosaal – als gelungen bewertet werden, obwohl die Sportart weiterhin mit ihrem Image kämpft.

„Fechten gilt als elitärer Sport mit komplizierten Regeln. Wir haben Probleme, Nachwuchs zu finden. Mit dieser Veranstaltung wollen wir unseren Sport auch bei Jugendlichen populär machen“, sagt Ilja Wöllert, Ausrichter vom Hamburger Fechtclub. Nach der 1978 ausgetragenen WM war dies die erste große Fechtveranstaltung für die ehemalige Hochburg des Fechtsports. Möglich gemacht wurde die Ausrichtung nicht zuletzt durch die Anhebung des Veranstaltungsetats von üblichen 10.000 Euro auf 80.000 Euro. Eine Verachtfachung, die durch eine Firma für Schweißwerkzeuge und die Hamburger Olympiabewerber gedeckt wurde. „Natürlich bringt ein solches Engagement Pluspunkte für die Argumentation, welchem Bewerber wir unsere Stimmen geben“, glaubt Geuter, der aber auch Leipzigs Bestreben, die WM 2005 austragen zu wollen, goutiert.