Hungerleider verlieren die Geduld

In Simbabwe endet die Resignation der Bürger gegenüber der Misswirtschaft von Präsident Mugabe. Immer öfter entlädt sich der Unmut der Menschen in Protesten und Gewalt – vor allem bei Warteschlangen für knappe Grundnahrungsmittel

aus Harare GODFREY KARORO

Ende letzten Jahres wurde Nomsisi Munyaradzi arbeitslos. Jahrelang hatte die 34-Jährige selbstlos einer internationalen Versicherungsfirma gedient – sie schlich sich sogar dann durch die Hintertür ins Büro, wenn ihre Kollegen streikten. „Ich gehörte zu denen, die sich nie an Protesten beteiligen wollten“, sagt sie. „Wenn Gewerkschafter und Bürgerrechtler die Arbeiter aufriefen, ihre Arbeit niederzulegen, fürchtete ich um meinen Job. Ich habe mich geirrt: Ich habe meinen Job jetzt sowieso verloren. Nun bin ich bereit, um das Leben meiner Kinder zu kämpfen.“

Simbabwes Arbeitslosenquote liegt bei 70 Prozent. Über die Hälfte der 14 Millionen Einwohner verdienen nicht genug, um ihre Kinder zu ernähren. Letztes Jahr schrumpfte die Wirtschaft laut Zentralbank um 12,1 Prozent. Jahrelang, während der internationalen Aufregung um Farmbesetzungen und Wahlmanipulation, galten die Simbabwer als passiv und ängstlich.

Aber seit zwei Wochen kommt es regelmäßig zu Straßenschlachten zwischen Demonstranten und Polizisten. Wenn Menschen tagelang in der heißen Sonne Schlange stehen müssen, nur um ein paar knappe Güter wie Maismehl, Zucker und Speiseöl zu erstehen, reicht ein Funke, um die Frustration explodieren zu lassen.

Ende vorletzter Woche musste die Polizei in der südlichen Stadt Bulawayo Tränengas einsetzen, um 4.000 Menschen auseinander zu treiben, die mehrere Tage vor einem Getreidespeicher des staatlichen Monopolisten GMB auf eine neue Maislieferung gewartet hatten – nur um dann anzusehen, wie sich Funktionäre der Regierungspartei Zanu/PF nach vorne drängten. Wenige Tage später wurden in Chitungwiza, einem Außenviertel der Hauptstadt Harare, zehn Menschen verletzt, darunter vier Polizisten, als eine Gruppe des berüchtigten staatlichen „National Youth Service“ die Polizei neben einer Schlange vor einem Supermarkt angriff. Die Jugendlichen, die für Gewalt gegen Oppositionsanhänger in Simbabwe bekannt sind, verlangten Vorzugsbehandlung für Zanu/PF-Mitglieder; die Polizei weigerte sich. Im darauf folgenden Chaos mussten die Milizen fliehen.

Neue Proteste sind jetzt zu erwarten, nachdem am Samstag der populäre Bürgermeister von Harare, Elias Mudzuri von der Oppositionspartei MDC (Bewegung für Demokratischen Wandel), wegen einer Rede vor einer „illegalen Zusammenrottung“ verhaftet wurde. Bereits am vergangenen Donnerstag hatte schwer bewaffnete Polizei sein Rathaus umzingelt.

Die immer häufigeren Zwischenfälle freuen Oppositionelle, die seit Jahren vergeblich zu zivilem Ungehorsam aufrufen. Führend unter ihnen ist Lovemore Madhuku, Vorsitzender des „National Constitutional Assembly“ (NCA), eine Versammlung von Basisgruppen und Bürgerrechtlern, die für eine neue Verfassung in Simbabwe eintritt. Seit Monaten ruft Madhuku zu Massenstreiks auf. „Massenaktionen sind Bewusstseinsbildung“, sagt der Jurist und Universitätsdozent. „Sie sind ein Ausdruck von Wut und werden die Standkraft der Menschen vergrößern.“

Die neuen Proteste zeigen, dass Simbabwer sich allmählich von der rein parlamentarischen Oppositionspolitik der MDC abwenden, deren Führer Morgan Tsvangirai vermutlich nur durch Manipulation am Sieg bei der Präsidentschaftswahl von März 2002 gehindert wurde. Tsvangirai hatte Ende Dezember nach der Abwahl eines anderen afrikanischen Autokraten, Daniel arap Moi in Kenia, gesagt, er bleibe dabei, Wahlbetrug vor Gericht anzufechten, und hoffe ansonsten auf den nächsten Wahltermin 2008. Ein Kommentator der oppositionellen Tageszeitung Daily News reagierte empört: „Ich hoffe bloß, dass Tsvangirai das nur gesagt hat, um nicht verhaftet zu werden. Er weiß doch wohl, dass die Menschen in Simbabwe nicht noch sechs Jahre warten können, bevor sie diese Regierung beseitigen. Wir müssen begreifen, dass wir nichts erreichen, solange wir herumsitzen und über unser Leid klagen.“

Ein afrikanischer Diplomat, der seit vier Jahren in Simbabwe lebt, sagt, er könne es gut verstehen, warum die Simbabwer Angst haben. Er erinnert an den Tod von 20.000 Menschen in den 80er-Jahren, als die Regierung Mugabe kurz nach der Unabhängigkeit des Landes Oppositionsbewegungen im südsimbabwischen Matabeleland bekämpfte, und an die ungestraften Morde, Vergewaltigungen und Brandschatzungen während der Landbesetzungen der vergangenen Jahre. „Aber heute herrscht Hunger im Land, und die Simbabwer werden früher oder später aufwachen und etwas tun müssen“, meint der Diplomat.

Der Politologe John Makumbe rechnet mit einer Eskalation ab März, wenn die diesjährige Erntesaison endet und klar wird, wie viel – oder wenig – es in Simbabwe zu essen gibt. „Dann werden wir anhaltenden Konflikt im gesamten Land erleben. Es könnte zum Aufstand kommen.“