: Opec dreht ein wenig am Ölhahn
Geförderte Ölmenge bleibt gleich: Ausfall durch Streik in Venezuela soll wettgemacht werden. Irak wichtiger Baustein bei weltweiten Ölstrategiespielen. Zunehmend Konkurrenz für Opec-Exporteure, Comeback allerdings wahrscheinlich
HAMBURG taz ■ Die Ölmenge auf dem Weltmarkt soll durch Streiks im wichtigen Förderland Venezuela nicht länger verknappt werden. Die anderen Mitglieder der Organisation erdölexportierender Länder (Opec) wollen durch Mehrproduktion die Liefermenge aus dem südamerikanischen Land ausgleichen. So war bis gestern Nachmittag der Stand bei einer außerordentlichen Sitzung der Opec-Mitglieder in Wien. Am Weltölmarkt herrschen nach Ansicht des saudi-arabischen Ölministers Ali al-Naimi keine Versorgungsengpässe trotz der seit dem Streik gestiegenen Preise. Naimi schätzte die Lieferausfälle aus Venezuela mit zwei Millionen Barrel pro Tag (1 Barrel = 159 Liter). Um so viel könne allein Saudi-Arabien innerhalb von zwei Wochen seine Ölfördermenge steigern – von acht auf zehn Millionen Fass pro Tag. Die angestrebte Fördermenge der zehn Opec-Länder liegt bei 23 Millionen Barrel pro Tag.
„Öl regiert die Welt, und über das Öl herrscht die Opec.“ Dieses geflügelte Wort aus den Neunzigerjahren stimmt heute nicht mehr. Ihre besten Tage erlebte die Opec in den Siebziger- und Achtzigerjahren, als jede Schwäche des industriellen Westens ausgenutzt wurde, um die Ölpreise durch Beschränkung der Fördermengen nach oben zu treiben. In der Bundesrepublik bescherte uns das Kartell autofreie Sonntage.
Heute hat die Opec jedoch ihre damaliges Monopol verloren. Um erfolgreiche Geschäfte zu machen, müssen die Ölverkäufer mit dem Westen nun kooperieren. Zudem wächst weltweit die Konkurrenz durch andere Förderländer. Auf die zehn Opec-Produzenten zwischen Asien und Südamerika (passives elftes Mitglied ist der Irak) entfällt nur noch etwa ein Drittel des Weltmarktes. Ein Dutzend Länder außerhalb der Organisation Erdöl exportierender Länder legte dagegen in den vergangenen Jahren beim Ölverkauf ordentlich zu. Inzwischen sind Mexiko, Norwegen oder Russland (heute der weltweit zweitgrößte Erdöllieferant hinter Saudi-Arabien) zu Mitspielern im knallharten Oligopoly-Spiel um das schwarze Gold herangereift, welches übrigens tatsächlich oft dünnflüssig und strohgelb aus dem Erdboden sprudelt.
Heute hält sich die Opec bewusst zurück mit ihren Preisen, hängen die zehn Länder doch ebenso wie die Industrieländer am Wohl und Wehe der Weltwirtschaft. Dreht die Opec den Ölhahn zu weit zu, steigen zwar die Preise, aber gleichzeitig werden auch die eigenen Finanzanlagen und Investitionen in die westliche Industrie und Banken entwertet. Langfristig muss allerdings wieder stärker mit der Opec gerechnet werden. Die elf Staaten sitzen laut Deutscher Bank auf 78 Prozent der weltweiten Erdölvorräte. Jedes dritte Barrel der Reserven wartet allein im Boden von Saudi-Arabien (262 Milliarden Fass) und den benachbarten Vereinigten Arabischen Emiraten (98 Milliarden Fass) darauf, nach oben gepumpt zu werden. Bagdad verfügt immerhin über ein Zehntel der globalen Ölreserven, geschätzte 113 Milliarden Barrel.
Die Ölreserven der Welt lagern nicht allein im Nahen Osten. Ein wenig weiter nördlich liegt mitten in Zentralasien der zweite strategische Angelpunkt der westlichen Ölpolitik, das Kaspische Meer. Die US- Energiebehörde hält die dortigen potenziellen Ölreserven für so groß wie die bekannten Lager Saudi-Arabiens. Hinzu kommen noch erhebliche Ressourcen im benachbarten Fergana-Becken, dem Dreiländereck Tadschikistan, Usbekistan, Kirgisien.
Darum und um die neuen Quellen im französisch dominierten Westafrika hat längst vor und hinter den Kulissen ein heftiges Gerangel eingesetzt. Der Konflikt am Kaspischen Meer um Förderrechte und Pipelines spielt in den Tragödien Tschetscheniens und Afghanistans eine tragende Rolle. So hofft die aus ehemaligen Topleuten der Ölindustrie zusammengesetzte Bush-Regierung, die 1998 begrabenen Pipeline-Pläne durch Afghanistan nun wiederzubeleben, und erst im Oktober 2001 wurde eine neue, hauptsächlich von amerikanischen Ölkonzernen finanzierte Pipeline nach dem russischen Schwarzmeerhafen Novorossiysk eröffnet – sie läuft durch das kriegsgeplagte Tschetschenien.
Und selbst Deutschland ist indirekt mit von der geopolitischen Partie. Russland ist heute nämlich der wichtigste Öllieferant der Bundesrepublik, mit Direktanschluss über die noch zu Sowjetzeiten in die DDR gebaute Pipeline „Druschba“ („Freundschaft“). HERMANNUS PFEIFFER