Aufgerieben zwischen Warlords

von FRANÇOIS MISSER

Thomas Lubanga hat sein Ziel erreicht. Der Führer der neuesten Rebellengruppe in der Demokratischen Republik Kongo, der Union Kongolesischer Patrioten (UPC), kontrolliert Mongbwalu. Hier, am Ende einer staubigen Waldstraße, verbirgt sich die größte Goldmine des Kongo.

Mongbwalu ist dabei nur der klägliche, 2.200 Quadratkilometer große Rest eines Goldreiches aus der belgischen Kolonialzeit. Kilo-Moto, so heißt das Areal insgesamt, erstreckt sich eigentlich über 86.000 Quadratkilometer bis an die Grenzen von Uganda und Sudan und ist gut für 90 Prozent der kongolesischen Goldproduktion. Während der Mobutu-Diktatur 1965–97, als der Kongo noch Zaire hieß, wurde Kilo-Moto verstaatlicht und wie alle Bergbaubetriebe des Landes ruiniert; dennoch hielt das Gold von Kilo-Moto den informellen Handel der Region am Leben. Über 350 Tonnen Gold sind aus Kilo-Moto gefördert worden. Theoretisch, so der belgische Geologe Luc Rombouts, könnte industrieller Bergbau jährlich Gold im Wert von bis zu 200 Millionen Dollar aus der Konzession holen.

Rechtlose Schürfer

Das Schicksal von Mongbwalu ist typisch für den Niedergang des kongolesischen Bergbaus. Der industrielle Goldbergbau ist eingestellt, und nur noch Schürfer graben in den Ruinen ehemaliger Tagebauminen. Die von Belgien gebauten Verwaltungsgebäude der Betreibergesellschaft Kimin sind verwaist, die noch 1.900 Angestellten des Betriebs sind zu rechtlosen Schürfern geworden und leben im Elend. Sie haben kaum alle drei Tage etwas zu essen, und wenn einer stirbt, bleibt die Familie völlig mittellos zurück. Bauern der Umgebung ziehen auf der Suche nach Einkommen in die Minen. Weil es keinerlei Gesundheitsversorung gibt, können Tropenseuchen wie Ebola ungehindert wüten.

Aber die Kimin-Angestellten nehmen ihr Schicksal nicht einfach hin. Sie haben sich in einem „Arbeiterkomitee“ organisiert und ziehen mit Hilfe eines belgischen Anwalts weltweit vor Gericht. Noch nie haben sich Bevölkerungen der Bergbauregionen auf diese Weise per Selbstorganisation Gehör verschafft. Wenn das Erfolg hat, könnte es die Situation der Menschen im Ostkongo mehr ändern als sämtliche Friedensabkommen zusammen genommen.

Um das zu verstehen, muss man die Geschichte Mongbwalus während des Kongokrieges kennen. Bis zum 2. Januar 1997, als die Kabila-Rebellen während ihres Krieges gegen Mobutu Mongbwalu mit Hilfe ugandischer Truppen einnahmen, war alles noch relativ klar. Die Kimin war ein Joint Venture der Staatsfirma Okimo, Erbin des belgischen Kolonialbetreibers, und der belgisch-kanadischen Bergbaugesellschaft Mindev. Weil Mobutus Soldateska die Minen mehrfach geplündert hatte, wurden Kabilas Truppen als Befreier begrüßt. Und Kabila weckte Hoffnungen auf einen Aufschwung, indem er Investoren warb.

Den größten, aber auch unproduktivsten Teil der Kilo-Moto-Konzession bekam die kanadische Firma Barrick Gold, zweitgrößte Goldfirma der Welt, in deren Vorstand unter anderem Ex-US-Präsident George Bush sitzt. 300 Millionen Dollar wollte Barrick Gold auf seinen 82.000 Quadratkilometern investieren – aber die reale Förderung von Kilo-Moto findet außerhalb dieses Bereiches statt: auf den 2.200 Quadratkilometern der Kimin. Dies versprach Kabila der „Ashanti Goldfields“, einem der führenden Bergbauunternehmen Afrikas.

Was folgte, war ein klassisches Beispiel dafür, wie Laurent Kabila seine Geschäftspartner gegeneinander ausspielte und das Land damit in einen neuen Krieg trieb. Am 7. Juni 1997 landete in Mongbwalu zum großen Erstaunen der Kimin-Leitung ein israelischer General, David Agmon, mit Revolver am Gürtel und umgeben von israelischen und kongolesischen Leibwächtern. Er hatte ein Dekret von Kabilas Bergbauministerium dabei, in dem stand, Kimin gehöre jetzt der australischen Russell Resources, Arbeitgeber des Generals. Der Israeli lebte in den 80er-Jahren im Rahmen der damaligen israelischen Militärhilfe für Mobutu in der zairischen Hauptstadt Kinshasa und war von November 1996 bis Januar 1997 Kabinettsdirektor des damaligen israelischen Premierministers Benjamin Netanjahu; Kabila war bestrebt, Mobutus frühere israelische Freunde für sich zu gewinnen. Die bewaffneten Israelis öffneten den Tresor der Kimin und zwangen die Angestellten, ihnen die Goldverstecke zu zeigen.

Rivalitäten

Im Januar 1998 erhielt Russell Resources 51 Prozent der neu gegründeten Firma Kilo-Moto Resources, in der die bisherige Staatsfirma Okimo die restlichen 49 Prozent hielt. Doch Ende 1997 hatte unabhängig davon Ashanti Goldfields 86 Prozent der Kimin gekauft, der das Gelände von Mongbwalu eigentlich gehörte. So gab es nun zwei Besitzer derselben Goldfelder. Ashanti Goldfields zog vor Gericht und bekam Recht, was im Kongo allerdings selten etwas nützt. Die reale Förderung übernahm Russell Resources unter General Agmon, in Zusammenarbeit mit der ugandischen Armee.

Als sich im Sommer 1998 die Armeen Ruandas und Ugandas mit unzufriedenen kongolesischen Militärs zusammentaten, um Rebellenbewegungen gegen Kabila zu gründen und den Osten Kongos erneut zu erobern, gab Kabila Ashanti Goldfields die Mongbwalu-Konzession zurück – ein Akt ohne Folgen, weil die Mine ja jetzt unter Rebellenkontrolle stand. Die informelle Ausbeutung durch Schürfer in Zusammenarbeit mit Russell Resources und Firmen ugandischer Generäle ging weiter. Die politische Kontrolle des Gebiets blieb wegen Rivalitäten zwischen Rebellenführern unklar – bis sich die Minenleitung mit dem Geschäftsmann Mbusa Nyamwisi verbündete, der sich Ende 2000 an die Spitze der kleinen Rebellenbewegung RCD-ML (Kongolesische Sammlung für Demokratie/Befreiungsbewegung) putschte, eines Sammelbeckens ostkongolesischer Rebellen, die mit Ruanda gebrochen hatten und nun den Schutz des Rivalen Uganda suchten. Mbusa Nyamwisi rekrutierte Milizionäre des Lendu-Volkes und ließ Ugandas Armee Steuern erheben.

Damit verknüpfte sich die Geschichte Mongbwalus mit einem alten ethnischen Konflikt. Denn das Lendu-Volk ist in dieser Region historisch mit dem Hema-Volk verfeindet. Wiederholte wechselseitige ethnische Vertreibungen haben den Nordosten Kongos in den letzten Jahren zu einem der blutigsten Schlachtfelder des Kongokrieges gemacht. Nun schlugen sich die Lendu auf die Seite der RCD-ML. Diese begann, ihre territoriale Kontrolle über den gesamten Nordosten des Kongo auszudehnen, und knüpfte zu diesem Zweck Verbindungen zur Regierung Kabila. So wurde die Kontrolle Mongbwalus zu einem zentralen Faktor der gesamtkongolesischen Kriegskonstellation.

Der Krieg ums Gold begann und wurde äußerst brutal. Die Lendu-Kämpfer der RCD-ML vertrieben die Hema-Goldschürfer aus Mongbwalu. Mehrere hundert von ihnen sollen massakriert worden sein. Nach Berichten von Hema-Seite ließ die RCD-ML danach ruandische Hutu-Milizionäre in die Goldminen. Die Hema und die anderen Feinde der RCD-ML in der Region machten sich daran, Nordostkongo wieder zurückzuerobern. Aus Hema-Milizen entstand unter Führung von Thomas Lubanga die UPC, die zunächst die Stadt Bunia eroberte und danach zweimal versuchte, Mongbwalu zu erobern: im Juni sowie Anfang November 2002. Die Hema-Kämpfer, unterstützt von 50 ruandischen Ausbildern, scheiterten beide Male. Es seien Angreifer ums Leben gekommen, darunter Ruander, Ugander und Tansanier, so der belgische Anwalt der Kimin-Belegschaft, der sich auf Augenzeugenberichte stützt.

Der dritte UPC-Angriff am 20. November war erfolgreich laut Schilderung des Anwalts: 5.000 Männer, geleitet von drei weißen Söldnern, übernahmen in zwei Tagen schwerer Kämpfe das Minengelände. Die meisten Bergleute ergriffen die Flucht. Die Lendu-Verteidiger der Mine schossen ein Flugzeug mit zwei weißen Piloten ab und zerstörten vor ihrem Abzug die verbliebenen Fördereinrichtungen.

Angeblich hat UPC-Chef Lubanga nun einer Firma aus Südafrika mit Geschäftsbeziehungen zur Armee Ruandas erlaubt, die Halden der einstigen Goldwäscherei von Mongbwalu auszubeuten. Um sich vor neuen Angriffen zu schützen, hat die UPC ein formelles Bündnis mit Kongos größter Rebellenbewegung geschlossen: der von Ruanda unterstützten RCD (Kongolesische Sammlung für Demokratie), die das östliche Drittel des Kongo kontrolliert. Der Krieg um das Gold kann weitergehen, und die Goldschürfer sind die Opfer.

Goldarbeiter klagen

Doch sie wehren sich. Strategie des Arbeiterkomitees von Ashanti Goldfields/Ex-Kimin ist es, darauf zu bestehen, dass Ashanti Goldfields Eigentümer der Mine ist. Ein Arbeitsgericht in Brüssel gab ihnen Recht und verurteilte Ashanti zur Zahlung ausstehender Löhne und Entschädigungen. Die Firma weigert sich.

Das Arbeiterkomitee lässt nicht locker und hat die ehemalige britische Entwicklungshilfeministerin Lynda Chalker, Baronin im Londoner Oberhaus, um Intervention gebeten. Chalker hat gute Beziehungen zu Uganda und traf letzten September auch Kongos Präsidenten Joseph Kabila, um ihm britische Investitionen im Kongo zu versprechen; Ashanti Goldfields gehört zu 32 Prozent der britischen Bergbaufirma Lonmines.

Zum ersten Mal appellieren also die leidgeprüften Bevölkerungen von Kongos Bergbaugebieten direkt an ausländische Gerichte und Politiker. Das ist ein Hoffnungszeichen für eine Region, die von ihren eigenen Herrschern nur mit Krieg und Elend überzogen wurde. Und es ist für ganz Kongo politisch bedeutsam, weil nun im Ausland ungeklärte Eigentumsfragen an kongolesischen Mineralienschätzen verhandelt werden. Je länger Kongos Politiker brauchen, um zum Frieden zu finden, desto mehr werden sie die Kontrolle über diese Prozesse verlieren.