Lehrer lernen frustbummeln

Mit Beginn des zweiten Schulhalbjahrs müssen Lehrer mehr unterrichten. Wie der Senatsbeschluss umgesetzt werden soll, ist oft unklar. Trotz Lehrerfrust droht aber kein Streik, sagen die Direktoren

von FABIAN GRABOWSKY

Manche nehmen es mit Humor. Scheinbar. „Mit einem bitteren Lächeln“, habe er auf die Arbeitszeitverlängerung reagiert, sagt Hartmut Blees, Leiter der Moabiter Moses-Mendelssohn-Gesamtschule. 42 Wochenstunden, 2 mehr als bisher, müssen Berliner Beamte seit letzter Woche arbeiten. So hat es der Senat nach dem Scheitern der Soldiarpaktverhandlungen mit den Gewerkschaften beschlossen. Bei den Lehrern ist das alles noch komplizierter. Je nach Fach erhöht sich ihr Deputat um eine halbe bis zu vier Unterichtsstunden pro Woche. Die Masse der Lehrer trifft das zwar erst ab 10. Februar mit Beginn des zweiten Schulhalbjahrs nach den Winterferien. Mehrarbeit leisten aber schon jetzt die Lehrer, die die Stundenpläne entwerfen.

„Dieser Schnellschuss ist nicht umzusetzen“, stöhnt Mendelssohn-Schulleiter Blees. So seien etwa fehlende Musiklehrer nicht so einfach durch Mehrarbeit fachfremder Kollegen vertretbar. Die Unterrichtsversorgung werde sich folglich nicht verbessern. Auch weil viele Kollegen bereits Überstunden geleistet hätten, die mit der jetztigen Erhöhung verrechnet würden. Dann werde nicht länger unterrichtet, sondern nur der Bonus auf den Arbeitszeitkonten einzelner Pädgagogen „abgebummelt“.

Viel mehr sorgt sich Blees jedoch um die Motivation seiner Kollegen. Die würden bisher mit großem Engagement Mehrbelastungen durch einen Ausländeranteil an den Schülern von mehr als 70 Prozent abfedern. „Die Stimmung ist unter dem Siedepunkt“, glaubt Blees. Elterngespräche mit Dolmetschern, aufwändige Integration behinderter Schüler und freiwillige Fortbildung an Wochenenden seien daher möglicherweise nicht länger selbstverständlich. „Was ist aus den Versprechungen aus dem Wahlkampf geworden?“, fragt Blees nach den im Wahlkampf angekündigten Investitionen in die Bildung.

Die Antwort gibt sein Kollege Günther Schrenk von der Max-von-Laue-Realschule in Lichterfelde: „Die Politiker haben gelogen.“ Auch Schrenk sieht freiwilliges Engagement in Gefahr – 12 der 24 Lehrer investieren ihre Freizeit in außerunterrichtliche Aktivitäten. „Die Bereitschaft dazu sinkt.“ „Ausreichend kompliziert“ findet sein Stellvertreter Rainer Ehrke zudem die Umsetzung des Beschlusses. An seiner Schule sollen Lehrer eine halbe Stunde mehr unterrichten: 22,5 Minuten. „Nicht praktikabel“, so Ehrkes Urteil.

Einen Streik erwartet Schulleiter Schrenk dennoch nicht. Er verweist auf die „Privilegien“ der Beamten. Das tut auch Steffen Eckart, Direktor der Max-Grundig-Hauptschule in Hellersdorf: „Ein Streik steht im Gegensatz zu meinem Selbstverständnis als Beamter“, sagt Eckart. Auch bei seinen Kollegen stehe die Rücksicht auf „pädagogische Notwendigkeiten und die Schüler im Vordergrund“. Und eine Arbeitsniederlegung würde nicht etwa den Senat, sondern „Eltern und Schüler“ treffen. Trotzdem herrsche unter den Lehrern „totale Unsicherheit“. Es gehe inzwischen ja nur noch um das „Halten des Status quo“. Dass der im Ostbezirk Marzahn-Hellersdorf noch geringer ist als im Westen, empört Eckart besonders.

Roland Jacob, Leiter des Alexander-von-Humboldt-Gymnasiums in Treptow, beklagt zusätzlich, dass die Erhöhung gerade ältere Kollegen betreffe. Denn für sie gelten die 2001 eingeführten Arbeitszeitkonten nicht. Sie könnten Mehrstunden daher nicht abbummeln. Mit einem Streik an seiner Schule rechnet aber auch er nicht. Die Beamtendisziplin hat aber möglicherweise einen hohen Preis. „Vor allem für ältere Kollegen“, betont Jacob, „ist die Umstellung verheerend und physisch eine erhebliche Belastung“.