Ein heißes Pflaster für Neulinge

Nun lässt auch das ZDF die Schlacht um „Stalingrad“ (20.15 Uhr) Revue passieren – die Dokumentation läuft zeitgleich in Russland. TV-Historiker Guido Knopp hofft, dass man nun eine „gemeinsame Sprache“ gefunden habe – nämlich seine

von RAINER BRAUN

Kriege beginnen in den Köpfen der Menschen, und das Ahnen um die kommenden Gemetzel wird vom Wissen um vergangene Schlachten geprägt. Nicht von ungefähr hat CNN schon seit Monaten dem „War against Terrorism“ besondere Aufmerksamkeit im alltäglichen Nachrichtengeschäft gewidmet. Differenziertere Töne schlägt dagegen der Europäische Kulturkanal Arte an, der in diesen Tagen nicht nur noch einmal an die hässlichen Wahrheiten des ersten Golfkrieges erinnerte (8. 1.), sondern die US-amerikanische Außenpolitik spiegelt („Mit offenen Karten“, seit 11. 1.) und dem „Pulverfass Irak“ demnächst (28. 1.) einen eigenen Themenabend widmet.

Beim ZDF wird das geneigte Publikum mit Blick auf deutsche Befindlichkeiten beim Sujet Krieg in ein veritables Wechselbad der Gefühle geschickt. Und so folgt auf den operettenhaften „Schlachtenbummler“ (so die PR) „Napoleon“ nun das Grauen in seiner ästhetisierten Faszination in drei Teilen – „Stalingrad“.

Konfektionierter Krieg

Verantwortlich zeichnet für die drei Teile einmal mehr mit Guido Knopp der Haushistoriker auf dem Lerchenberg, der in diesem Jahr die Hälfte der neuen Dokumentar-Sendeplätze am Dienstag bespielen darf. Das wiederum lässt für qualitätsbewusste, zeithistorisch interessierte ZuschauerInnen nicht viel Gutes erwarten.

Denn was die History-Industry des Megalomanen Knopp verlässt, ist hoch konfektionierte, uniforme Ware bar jeder individuellen Handschrift, die sich inzwischen auch im Ausland vernünftig verwerten lässt, weil sie ihre britischen Vorbilder bis in die formale Ästhetik trefflich kopiert. Auf der Strecke bleiben wie üblich überraschende Blicke, neue Erkenntnisse oder auch nur ein gediegener Umgang mit Zeitzeugen und dem Archivmaterial. Denn bei Knopp geht es vor allem darum, dass sich die befragten Landser und Krankenschwestern nahtlos der Logik seines Geschichtsbildes unterordnen und den Ablauf der suggestiven Bilder und Töne aus dem Off nicht stören.

In dieser Hinsicht macht auch der Dreiteiler „Stalingrad“ (Redaktion: Anja Greulich), den der russische Privatsender TVS und das dänische DR TV koproduziert haben, keine Ausnahme. Wir werden eingeladen zur opulent illustrierten Zeitreise an den „Schicksalsstrom“ Wolga und dürfen noch einmal den Schauer des Völkerschlachtens hautnah miterleben. Denn anders als beim gleichnamigen ARD-Zweiteiler von Christian Klemke und Jan N. Lorenzen (20. und 23. 12.), die eher das menschliche Leiden der Bevölkerung in Stalingrad konturierten, geht es bei Knopp gewissermaßen um die Revitalisierung ideologischer Muster der 50er-Jahre.

Die notwendigen Erläuterungen („Das Leid der Menschen ist auf beiden Seiten gleich“) und historischen Einordnungen des Gemetzels („Die Illusion vom leichten Sieg stirbt im Häuserkampf“) liefern uns deshalb bevorzugt die wahlweise emotionsgeladenen oder vereinfachenden Kommentare aus dem Off, wenn die ehemaligen Offiziere nicht die richtigen Stichworte liefern.

Gruseliges Resultat

Das ist im Resultat schon deshalb gruselig, weil Knopp sein Publikum penetrant mit der männerbündischen Landser-Romantik und ihren Schattenseiten malträtiert. Da avancierte etwa zu Beginn der Offensive im Sommer 1942 „das Wolga-Lied“ zum Frontschlager“, wird fleißig über die militärischen Fähigkeiten von General Paulus schwadroniert und die „schlechte Versorgungslage“ neben Hitlers Eigensinn für die Niederlage der Wehrmacht verantwortlich gemacht. Besonderes Mitgefühl gilt deshalb jungen Landsern („Neulinge an der Front können die Hölle von Stalingrad oft nicht verkraften“) und weniger der sowjetischen Zivilbevölkerung, an der Gräueltaten begangen wurden.

Getreu der Sichtweise der 50er-Jahre in Westdeutschland wird denn auch ein schemenhaftes Bild der verteidigenden Rotarmisten gezeichnet, die „ohne Rücksicht auf Verluste zum Angriff getrieben werden“. Erkenntnisfördernd ist dies in der Summe allenfalls im Hinblick auf das Geschichtsbild, das beim ZDF über das NS-Regime vermittelt wird.