Steuerparadies Deutschland

betr.: „Murren, dann unterschreiben“ (Tarifstreit), Kommentar von Christian Füller, taz vom 7. 1. 03

Es ist die verfehlte Politik der letzten Regierungen (Union und FDP wie auch Rot-Grün), die im verheerenden Wettlauf um die niedrigsten Steuern die öffentlichen Kassen ausgeplündert hat. Jetzt wird so getan, als sei die öffentliche Armut „vom Himmel“ gefallen, dem Land von außen aufgedrückt worden oder durch die überbordenden Ansprüche der Bevölkerung entstanden. Dabei hat man – von Weigel bis Eichel – diese Armut bewusst provoziert, um die Ansprüche der Unternehmen und der Reichen im Lande zu befriedigen. Die Steuervorteile der Normalbürger sind längst durch erhöhte Eigenbeteiligungen bei den Sozialversicherungen und Sozialeinrichtungen mehr als aufgefressen worden. Wann endlich begreift die Bundesregierung, dass Deutschland faktisch ein Steuerparadies ist und kein Nachholbedarf in Sachen Steuern besteht, ja im Gegenteil.

In keinem anderen großen Industrieland lassen sich für Unternehmen und Wohlhabende so einfach Steuern sparen, indem Abschreibungen, Querverrechnungen oder Verlustvorträge in Anspruch genommen werden. Es ist an der Zeit, dass die Unternehmen wie die Besserverdienenden wieder ihren Beitrag für diese Gesellschaft entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit auch in Form von Steuern erbringen, wenn dieses Land seine Position unter denjenigen Länder halten will, in denen der Wohlstand nicht nur wenigen, sondern allen Bürgern zuteil wird. Die Politik muss dafür Sorge tragen, dass die öffentlichen Kassen durch Steuern so gut gefüllt werden, dass die Bediensteten in Bund, Ländern und Gemeinden an der Einkommensentwicklung teilhaben können und der Staat seine Aufgaben der sozialen Sicherung für alle erfüllen kann.

Leider sind die derzeit erkennbaren Politikentwürfe der Regierung keineswegs in dieser Richtung ausgestaltet, sondern setzen die bisherige Entwicklung in immer verschärfterer Form fort. Vor diesem Hintergrund ist den KollegInnen von Ver.di zu wünschen, dass sie hart bleiben im Tarifstreit und immer wieder die Ursachen und Verursacher für die öffentliche Armut benennen.

FRIEDRICH-KARL BECKMANN, Pinneberg

Aha, Herr Füller. Nun haben wir also den Schuldigen. Die Industrie hat unseren armen Staat ausgehungert und nun kann er seine Angestellten nicht mehr bezahlen. Nein, da kann ich Ihnen nicht ganz folgen. Wenn Sie sich einmal den Bundeshaushalt anschauen, entdecken Sie allerlei Ladenhüter, die in einem zeitgemäßen schlanken Staat nichts zu suchen haben. Beispiel Bundesanstalt für Arbeit, Bergbau, Bundeswehr etc. Würde man hier den Rotstift ansetzen, könnte man auch seine Angestellten bezahlen. Ob solch eine Lohnerhöhung in dieser Zeit angebracht erscheint, steht auf einem anderen Blatt. Doch das kommt den Gewerkschaften gerade recht. Die versuchen verlorenes Terrain wieder gutzumachen. Was ihnen nicht gelingen wird. Der Bürger darf’s bezahlen. So oder so. FELIX ZUCKSCHWERDT, Frankfurt/Main

Wenn die Regierung die finanziellen Belastungen der Tarifrunde begrenzen und gleichzeitig die sozialen Hausaufgaben machen will, die Ver.di leider entgegen ihres Auftrags vernachlässigt, wäre doch folgender Vorschlag geeignet: die Löhne und Gehälter im unteren Einkommenssegment (Müllmänner, Krankenschwestern, Busfahrer …) werden angehoben, in den oberen Gehaltsgruppen gibt es eine Nullrunde. Dafür unterbleibt die angedrohte Ausweitung der Arbeitszeit. OLIVER RAU,

Beamter u. Ver.di-Mitglied, (kann von A 11 auch ohne

Erhöhung leben), Frankfurt/Main