Schily: Grundgesetz kann bleiben

Innenministerium widerspricht Verteidigungsminister Struck: Im Notfall kann die Bundeswehr im Innern eingesetzt werden. Dazu braucht‘s keine Grundgesetzänderung. Grünen-Chefin Angelika Beer hätte dagegen mit Änderung „kein Problem“

von BETTINA GAUS

Der Vorstoß von Verteidigungsminister Peter Struck, die Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr im Inland durch eine Änderung des Grundgesetzes zu erweitern, war offenbar nicht mit Kabinettskollegen abgestimmt. Darauf deutet eine Erklärung hin, der zufolge das Bundesinnenministerium eine derartige Verfassungsänderung nicht unbedingt für notwendig hält.

Nach dem Irrflug eines gekaperten Motorseglers über Frankfurt hatte Struck erklärt, für einen möglicherweise notwendigen Abschuss in solchen Notfällen fehle eine „geeignete Rechtsgrundlage“. Ein Sprecher des Innenministeriums erklärte hingegen gestern, es sei unter Juristen unstrittig, dass auch der Abschuss eines Flugzeuges zulässig sei, wenn unmittelbare Gefahr für Leib und Leben von Menschen bestehe. Das sei im Grundgesetz durch den „übergesetzlichen Notstand“ abgedeckt.

Derzeit beschäftigt sich eine interministerielle Arbeitsgruppe unter Federführung des Verteidigungsministeriums mit der Frage, ob eine Verfassungsänderung notwendig sei, um Rechtssicherheit herzustellen. Die Arbeitsgruppe, in der auch das Innenministerium sitzt, tagt vertraulich. Wann mit Ergebnissen zu rechnen ist, ist unklar. Bislang ist dem Vernehmen nach im Verteidigungsministerium noch kein konkreter Vorschlag erarbeitet worden, der als Arbeitsgrundlage dienen könnte.

Die öffentliche Diskussion geht unterdessen weiter. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Dieter Wiefelspütz, sprach sich gegen eine Grundgesetzänderung aus. Die Parteivorsitzende der Grünen, Angelika Beer, betonte hingegen, die Bundeswehrsoldaten bräuchten „eine klare Rechtsgrundlage“. Wenn dafür eine Grundgesetzänderung „nötig werden sollte, hätte ich damit kein Problem“. Ihr Parteifreund, der Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei, sagte zur taz, gegen eine rechtliche Überprüfung der Lage sei nichts einzuwenden, da alle Beteiligten einen Anspruch auf Rechtssicherheit hätten. Er fügte hinzu: „Bisher schien mir die Rechtsgrundlage für einen derartigen Fall durch die Regelungen für Amtshilfe in Not- und Katastrophenfällen ausreichend zu sein.“

Die Union unterstützt eine Verfassungsänderung. Fraktionsvize Wolfgang Schäuble betonte, die Union trete dafür bereits seit zehn Jahren ein. Es sei „dringend notwendig, hier etwas zu ändern“, sagte auch der Vorsitzende der Länder-Innenministerkonferenz, Andreas Trautvetter (CDU). Der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle sieht hingegen die Gefahr, dass die Bundeswehr als „Hilfspolizei“ eingesetzt werden solle. Ähnlich äußerte sich der Chef der Polizeigewerkschaft, Konrad Freiberg. Er bezeichnete Strucks Überlegungen als „Spiel mit dem Feuer“.