neuverschuldung
: Das Spiel ist erst in der 4. Minute

Das gehört zu den schönsten Erscheinungen des Schülerfußballs: Kurz nach dem Beginn des Spieles eilen aufgeregte Väter an den Spielfeldrand und drohen mit dem Regenschirm. Sie wollen dem Trainer reinquatschen. Das ist aber, so kurz nach Anpfiff, keine gute Idee.

Kommentar von CHRISTIAN FÜLLER

Ähnlich unsinnig ist es, schon Mitte Januar darüber zu räsonnieren, ob der Finanzminister in diesem Jahr wohl eher die Neuverschuldung oder die Steuern erhöhen wird. Möglicherweise ließe sich auch eine Haushaltssperre verhängen? Mag schon sein – das ein oder andere wird wohl kommen, vielleicht auch ein kluger Mix aus allem. Doch das Spiel – pardon: das Haushaltsjahr – ist noch jung, sehr jung sogar.

Umgerechnet auf ein Fußballmatch läuft gerade mal die vierte Minute. Und da soll Hans Eichel schon die Taktik ändern? Keine gute Idee. Zumal die Gestalten, die sich mit mehr oder weniger guten Tipps an den Trainer – pardon: den Finanzminister – heranmachen, allesamt zur Sorte „Alte Herren“ zählen. Ihre eigenen Großtaten mit der Lederkugel sind kaum erinnerlich, ihre Tipps von zweifelhafter Güte. Der Handwerkspräsident tat sich vor der Wahl mit Fantasiezahlen von Arbeitslosen hervor. Sein Generalsekretär hält am mittelalterlichen Meisterprivileg fest. Und der Industriepräsident ist seit geraumer Zeit schon Spielerbeobachter für Friedrich Merz, Eichels härtestem Gegner.

Auf solch schwarze Tipps kann der rote Hans gut verzichten. Frühestens in der Halbzeit, nach der Steuerschätzung im Mai, sollte er sich taktische Tipps anhören. Vor dem Pausenpfiff aber verbieten sich Auswechslungen, Umstellungen oder Trikotwechsel – also: Kreditaufnahmen, Haushaltssperren oder gar das Drehen an der Steuerschraube.

Und was hat es zu bedeuten, dass selbst Wolfgang Clement, der elegante Libero, schon in der vierten Spielminute seinen Trainer anmotzt – indem er die Wachstumsprognose von 1,5 auf 1,0 Prozent senkt? Clement zeigt, dass er ab jetzt der neue Spielführer ist. Der weiß, wie stark der Gegner ist, also will er das Spiel seiner Elf von Anfang an effizienter und härter gestalten. Sprich: Der Wirtschaftsminister sieht für die rot-grüne Equipe nur einen Ausweg aus der Haushalts- und Jobkrise: Arbeitsmarkt und Sozialsysteme zu refomieren und Bürokratie abzubauen.

Das sollen, anders als im Wahljahr, diesmal alle rechtzeitig wissen: Mitspieler, Zuschauer – und natürlich die schlauen alten Herren mit den Regenschirmen.

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