Von zwei Staaten verfolgt

Badri Parulava ist seit elf Jahren in Hamburg. Seitdem kämpft der Georgier darum, als politisch Verfolgter anerkannt zu werden. Gestern erhielt er eine letzte Chance. Doch vor dem Gerichtssaal warteten Polizisten mit Haftbefehl und Handschellen

von SANDRA WILSDORF

Der Richter kann nicht glauben, was er da hört: „Das klingt nach einem schlechten James Bond.“ Anderswo mag es das geben, dass Menschen von Behörden bedroht werden, „aber doch nicht in Deutschland“. Die Geschichte, die den Richter staunen lässt, ist die von Badri Parulava. Parulava hat dagegen geklagt, dass sein Asylfolgeantrag abgelehnt wurde. Der Richter soll gestern entscheiden, ob der Georgier nun zurück muss, oder noch eine Chance erhält.

Denn er hat Angst vor der Rückkehr. Vor elf Jahren ist er nach Deutschland gekommen. Gerade noch rechtzeitig, bevor Eduard Schewardnadse Präsident wurde. Denn Parulava hatte als Student für die Unabhängigkeit Georgiens gestritten und dabei Schewardnadse kritisiert.

Seit neun Jahren in Angst

Schon 1994 sollte Parulava abgeschoben werden. Damals haben sich seine Kollegen von der CCH-Gastronomie für ihn stark gemacht (taz berichtete). Seitdem ziehen sich die Verfahren hin: Asylantrag abgelehnt, vergebliche Hoffnung auf den Petitionsausschuss, Widerspruch, Folgeantrag, Duldung. Der 37-Jährige darf nicht arbeiten und muss von Sozialhilfe leben. „Ich bin jung und gesund, ich kann für mich selber sorgen“, sagt er.

Eigentlich hat er nichts dagegen, nach Georgien zu gehen. Doch dort will man ihn nicht. „Sie sind doch schon so lange in Deutschland“, habe der Botschafter gesagt und sich geweigert, ihm einen georgischen Pass auszustellen. Denn als Parulava seine Heimat verließ, war sie noch Teil der Sowjetunion.

Im April 2001 musste Parulava mit Mitarbeitern der Hamburger Ausländerbehörde nach Neumünster fahren. Das dortige Landesamt für Ausländerangelegenheiten lädt ab und zu „Auslandsvertretungen“ ein, die Staatsangehörigkeiten feststellen sollen. Parulava schildert, dass die Georgier – die er für Mitarbeiter des Geheimdienstes hält – nach einer Weile die Hamburger Behördenangestellten rausgeschickt hätten. Die Sache sei eine interne Angelegenheit. Die Hamburger seien nach kurzer Diskussion tatsächlich vor die Tür gegangen. Als sie unter sich waren, sollen die Männer Parulavas Tasche vom Tische gefegt und ihm gedroht haben: „Wir kriegen Dich. Es ist unsere Pflicht, gerade Dich nach Georgien zu bringen.“

Die neue Chance

Dort lebt Parulavas Bruder. Er hatte mehrfach Besuch von Männern, die er für Geheimdienstler hielt. Sie sollen ihn geschlagen und von ihm verlangt haben, dafür zu sorgen, dass sein Bruder nach Georgien zurückkommt. Badri Parulava hat Angst und will keinesfalls zurück, solange Schewardnadse Präsident ist.

Weil er für die Hamburger Ausländerbehörde ein Illegaler ist, tauchte er ab. Traut sich nicht mehr zum Sozialamt, lebt von dem, was Freunde ihm geben, schläft mal hier, mal da. Die gestrige mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist seine letzte Hoffnung.

Auch wenn dem Richter Parulavas Geschichte unglaublich scheint: Er entscheidet, dass das Bundesamt das Verfahren noch einmal aufrollen soll. Der Aufschub, die ersehnte neue Chance.

Als Parulava den Gerichtssaal verlässt, stehen zwei Männer vor ihm und legen ihm Handschellen an: „Haftbefehl.“ Die Polizisten kommen in Zivil und im Auftrag der Ausländerbehörde: „Sicherung der Abschiebung.“ Sie wollen Badri Parulava in Untersuchungshaft bringen, obwohl der Richter soeben ein neues Verfahren beschlossen hat.

Erst nach Intervention des Richters, der von Parulavas Anwalt alarmiert wird, lassen sie ihn wieder frei. „Ich kann nicht mehr“, sagt Parulava, „Ich werde von zwei Staaten verfolgt.“