Nun debattiert mal schön

Die Jugend forscht, musiziert und trainiert seit langem – jetzt sollen sich die Pisa-geplagten Bremer Schüler auch rhetorisch messen: Die Hertie-Stiftung hat einen Rede-Wettbewerb ins Leben gerufen

taz ■ Das mit der captatio benevolentiae sollte Ralf Langhammer noch einmal üben. Die rhetorische Wendung, die der Projektleiter der gemeinnützigen Hertie-Stiftung bemühte, um seine Zuhörer im Rathaus für sich einzunehmen, klang doch sehr gekünstelt: Gerade in Bremen angekommen habe er befürchtet, im falschen Flieger gesessen zu sein: Statt HB habe er nämlich auf den Autokennzeichen HP gelesen, was für seinen hessischen Wohnort Heppenheim stehe. Nunja. Gleichwohl ist die Redekunst das Steckenpferd des gelernten Deutschlehrers Langhammer – zusammen mit Bildungssenator Willi Lemke (SPD) stellte er gestern den Wettbewerb „Jugend debattiert“ vor, mit dem auch in der Hansestadt die rhetorischen Fähigkeiten der pisageprügelten Schüler gefördert werden sollen.

Die 5 Millionen Euro teure, schulartübergreifende Aktion wird von mehreren großen Stiftungen finanziert und findet parallel in allen Bundesländern statt. In Bremen werfen sich 500 Eleven der Pestalozzischule, der Schulzentren Walliser Straße und Flämische Straße sowie des Alten Gymnasiums in die Redeschlachten. Diese ersten vier Schulen wurden von der Behörde per ordre de mufti ausgewählt, erst ab dem kommenden Jahr soll sich dann jede interessierte Schule um die Wettbewerbsteilnahme bewerben dürfen.

Die Regeln von „Jugend debattiert“ sind streng vorgegeben: Jede Debatte wird von vier Schülern ausgetragen, die ein Thema ihrer Wahl besalzen – etwa die Einführung von Schuluniformen, die Videoüberwachung öffentlicher Plätze oder die Legalisierung von Haschisch. Jeder Teilnehmer darf seinen Standpunkt frei wählen, einen Diskussionsleiter gibt es nicht. Zunächst darf jeder Jugendliche zwei Minuten lang ungestört seine Argumente vortragen. Es folgen eine „freie Aussprache“, exakt zwölf Minuten lang, und die Schlussrunde, in der jeder in 60 Sekunden sein Fazit ziehen darf. Ausdrücklich gestattet ist es, während der Debatte seine Ansicht zu ändern – „das Format ist Meinungsfreiheit pur“, sagt der redselige Herr Langhammer.

Um die Performance der Debattenredner zu bewerten, hat die Hertie-Stiftung „vier gleichgewichtige Wertungskriterien“ ersonnen – Sachkenntnis, Ausdrucksvermögen, Gesprächsfähigkeit und Überzeugungskraft. Dauerquasselnde Schwätzer oder Intelligenzbestien, die den Mund nicht aufbekommen, hätten im Wettbewerb keine Chance, sagt Langhammer: „Die rhetorischen Extremisten wollen wir nicht.“

Auch die Pädagogen bringt die Stiftung auf Linie: 20 Bremer Lehrer werden „von erfahrenen Profi-Trainern im Debattieren geschult“. Zudem bekommen sie Unterrichtsmaterialien an die Hand, um ihre Schüler aus den Klassen 8 bis 13 für den Wettbewerb fit zu machen.

Nach diversen Vorrunden treffen acht Schüler im Bremer Landesfinale aufeinander, die besten zwei dürfen sich im Juni in Berlin und im Beisein von Bundespräsident und Anekdotenpapst Johannes Rau mit den Chefdiskutanten aller anderen Bundesländer messen. Für die Finalrunden legt dann ein prominent besetztes Kuratorium – „auch Maischberger ist drin“ – einen speziellen Themenkanon fest. Zu gewinnen gibt es übrigens kein Geld – „sondern Kompetenz pur“, so Langhammer: nämlich ein mehrtägiges Rhetoriktraining. Markus Jox