Einfach wie Schnitzel essen

Billig leben und Gehirnströme bündeln. Die Zentrale Intelligenz Agentur hat Erfolg mit neuen Geschäftsideen. Der Krise in der Medienbranche trotzen sie mit „Hands-on-Betreuung“. Aber ist das noch Kapitalismus oder nur ein Telespiel mit Bonuslevel?

von ANSGAR WARNER

In der historischen Gründerzeit anno Tobak konnte der Entrepreneur eine Geschäftsidee noch wochenlang unter dem Kopfkissen aufbewahren. Das sollte man in den Zeiten des Turbokapitalismus besser nicht mehr tun – könnte ja jemand schneller sein.

Holm Friebe, Gründer der „Zentralen Intelligenz Agentur“ (Z.I.A.), fackelt deswegen auch nicht lange. Anlässlich eines Kreativ-Workshops brainstormte der Wahl-Berliner auf einem Mecklenburger Bauernhof zwischen Entengrütze und Häckselstroh mit einer Gruppe von PR-Leuten, was das Zeug hielt. Neue Markennamen und Produktbezeichnungen entstehen für gewöhnlich auf diese Weise, so wie etwa Mega-Pearls, Oh-two oder Bismarck-Hering (alle schon vergeben, sorry). Friebe war allerdings an diesem Wochenende irgendwie blockiert. Erst nach dem Ende des Meetings kamen die Assoziationsketten in Gang – und ließen sich nicht mehr stoppen. Plötzlich war er da, der Einfall mit der Zentralen Intelligenz Agentur, einer kreativen Eindeutschung der Central Intelligency Agency, kurz CIA. Am nächsten Tag ließ Friebe die Web-Adresse www.zentrale-intelligenz-agentur.de registrieren.

Mittlerweile aquirieren Friebe und ein Dutzend Mitstreiter unter diesem Namen deutschlandweit Aufträge aus dem Bereich Kunst, Kultur und Kommerz. 2002 war ihr erstes, erfolgreiches Geschäftsjahr. Es sei gelungen, den „allgemeinen Krisensymptomen und Weltuntergangsszenarien“ zu trotzen. Das Versprechen, „intelligenten Stoff für alle Kanäle“ zu liefern, wurde eingelöst: Zeitungen wie Super-Illu oder Jungle World, aber auch Galerien und Ausstellungshäuser haben das kreative Netzwerk für sich eingespannt. Die „inoffiziellen Mitarbeiter“ der Agentur bündeln die Kompetenzen von Textern, Grafikern, Fotografen jeweils für ein aktuelles Projekt: von „Perlen des New Journalism über Website-Content bis zum Allroundspektakel“ ist alles möglich. Je größer, desto besser.

Das gilt auch für die Selbstdarstellung. Auf der Z.I.A.- Homepage bestimmen die „Buzzwords“ der Branche den Ton: „High Quality Content“, „Hands-on-Betreuung“, „semiotic benchmarking“. Doch mit einer konventionellen Agentur ist die Z.I.A. trotzdem nicht zu vergleichen. Es gibt keinen Chef, kein Büro, ja eigentlich nicht einmal eine Firma. Man gibt sich postfordistisch, versteht die Agentur als Amöbe: Im Grunde genommen existiert nur ein Web-Server, sowohl als Aushängeschild wie auch als Arbeitsplattform. Friebe: „Ein Pool von Freelancern, die temporär strategische Allianzen eingehen.“ Man findet sich je nach Bedarf zusammen, der Gewinn wird durch gegenseitige Honorarforderungen für die geleisteten Arbeiten verteilt. Senior-Consultant Christian Y. Schmidt: „Das ist ungefähr so einfach wie ein Schnitzel zu essen und hinterher die Rechnung zu bezahlen.“

Anfangs habe man noch in alten Kategorien gedacht, doch Kosten und bürokratischer Aufwand für eine normale Agentur führten früh zu der Entscheidung, ganz neue Wege zu gehen. Am Ende ist nur noch die Produktivkraft selbst übrig geblieben. Und die wird potenziert durch virtuelle Vernetzung. Kreative Köpfe möglichst ohne Reibungsverluste bei Bedarf zu verknüpfen – die Z.I.A.-Gründer sprechen in diesem Zusammenhang gerne vom „Gehirnstrommodell“. Senior Consultant Christian Y. Schmidt: „Ob ich in Berlin sitze oder in Kuala Lumpur, das ist doch heutzutage völlig gleichgültig.“

Die Firma ein Web-Server, das Geld bei www.sparkasse.de, und das Endprodukt der Hirnströme am Ende auch ein Web-Content – ja ist denn das überhaupt noch handfester Kapitalismus oder nur ein Telespiel mit Bonuslevel? Die Kollegen von der Z.I.A. gehören nicht zu denen, die so etwas wie die Vierzigstundenwoche ohne Lohnanspruch goutieren würden. „Das Motto heißt: Billig leben und Geld abzocken, wenn es verteilt wird“, so Friebe. Und Philipp Albers ergänzt: „Wir spielen mit ironischem Abstand in der Wirtschaft mit, passen uns mimetisch an, das mag man subversiv nennen, aber wir sind natürlich auch ein Teil des Systems“. Dass zu viel Ironie allerdings auch hinderlich sein kann, haben die Agentur-Mitarbeiter in der Zeit direkt nach dem 11. September lernen müssen. „Wir wollten mit dem Auto in die Schweiz einreisen und wurden gefilzt. Als die Grenzer unsere Z.I.A.-Visitenkarten gesehen hatten, wollten die uns plötzlich nicht mehr reinlassen.“