Herminators größter Sieg

Hermann Maier wird beim Riesenslalom von Adelboden 31. und verpasst damit das Finale. Nach seinem schweren Motorradunfall vor 508 Tagen ist das dennoch ein Erfolg. Hans Knauß gewinnt

von FRANK KETTERER

Hermann Maier muss es gespürt haben. Dass die Bretter unter seinen Füßen nicht richtig in Schuss gekommen waren, die ganze Fahrt über nicht. Dass er schon im oberen Teil am Kuonisbergli einen Fehler eingebaut hatte und auch danach nicht ganz optimal herumkam um die Stangen. Dass es da doch einen Unterschied gab zwischen dem Heute und dem Gestern, immer noch. Skifahren hat viel mit Gefühl zu tun, und sein Gefühl trog ihn nicht: 31. ist Hermann Maier nach dem ersten Durchgang des Weltcup-Riesenslaloms von Adelboden schließlich geworden, 3,34 Sekunden Rückstand hatte er auf Didier Cuche, den Schnellsten im ersten Durchgang, gesammelt, damit das Finale der besten 30 verpasst, wenn auch nur um fünf Hundertstelsekunden und einen Rang. All das also hat Hermann Maier schon während seiner Fahrt das Kuonisbergli hinunter gespürt, und sehen konnte man das drunten im Ziel, noch beim Abschwung. Der Mann, den sie ehrfürchtig Herminator nennen, zuckte mit den Schultern – und sagte dazu: „Alles war so seltsam. Natürlich habe ich mir mehr erwartet.“ Trotz langer Verletzungspause und obwohl er im Vorfeld stets anderes hatte verlautbaren lassen.

„Mein größter Sieg ist, dass ich heute hier bin“, hatte der Dreißigjährige aus Flachau noch nach der Streckenbesichtigung am Tag vor dem Rennen in die Notizblöcke der zahlreich erschienenen Reporter diktiert. Doch glauben, glauben wollte ihm das keiner so recht, schließlich standen diesem Satz große Worte aus dem Sommer gegenüber. „Ich werde nicht zurückkehren, wenn ich keine Chance sehe, unter die ersten fünf zu fahren“, hatte Maier die Öffentlichkeit da wissen lassen. In den Tagen von Adelboden tendierten selbst die eigenen Mannschaftskameraden deutlich zu Version zwei. „Er kann auch noch die WM-Qualifikation schaffen, und er kommt hierher, um dies zu tun“, glaubte etwa Christoph Gruber, Maiers Trainingspartner, der zudem von „tollen Trainingsleistungen“ zu berichten wusste; bei Teamkollege Rainer Schönfelder sorgten diese gar für einen Hauch von Sorge: „Hoffentlich fährt der Hermann nicht gleich zu stark, sonst schauen wir im Team ganz schön blöd aus.“

Die Angst, das hat der gestrige Riesenslalom im Berner Oberland gezeigt, war unbegründet; Maier hatte doch vor dem Rennen die Wahrheit gesagt – und nicht schon im Sommer: Auch er, der Herminator, kann sich nicht über die eigene Physis hinwegsetzen, auch er ist nur ein Mensch – und keine Schuss fahrende Maschine, auch wenn zwei Olympiasiege und Weltmeistertitel sowie 41. Weltcup-Triumphe zwischenzeitlich so manchen anderes hatten vermuten lassen.

Sein rechtes Bein sieht, wenn er die Skihose erst mal abgestreift hat, immer noch fürchterlich aus, dabei muss Maier froh sein, dass er es überhaupt noch hat, nicht viel hatte gefehlt und es hätte amputiert werden müssen. Die Ärzte konnten es dann doch noch retten, über sieben Stunden haben sie daran herumgeflickt, nachdem ihn samt Motorrad am 24. August 2001 ein Rentner über den Haufen gefahren hatte. Die Zeit danach war eine Zeit der Leiden für Hermann Maier, der sein Comeback von Anfang an wie ein Besessener in Angriff genommen hatte – und es doch so lange hinauszögern musste, so lange, dass es schließlich hieß, die ganze Sache sei nichts als ein PR-Gag, um die Sponsoren noch eine Weile bei Laune zu halten, in Wirklichkeit gäbe es gar keine Rückkehr mehr auf die Piste, sondern die Karriere sei so gut wie zu Ende.

Gestern hat Hermann Maier böse Gerüchte wie dieses widerlegt. 508 Tage nach seinem schweren Unfall ist er leibhaftig zurückgekehrt in den alpinen Weltcup-Zirkus, nur eine Woche lang soll er davor um Stangen gekurvt sein. Dafür ist ein 31. Rang bestimmt nicht schlecht, auch wenn die WM-Teilnahme in St. Moritz in die Ferne gerückt ist. Doch das ist fast schon egal. Seinen größten Sieg hat Hermann Maier beim Riesenslalom von Adelboden dennoch gefeiert.