Kaiser, Kanzler und James Bond

Welcher Reiz könnte darin liegen, mit Gerhard Schröder zu tauschen? Auf seiner Jahresauftakt-Pressekonferenz spielt der Kanzler ein vertrautes Spiel mit den Journalisten, bewegt sie aber immerhin dreimal zu einem „Oh, das war aber neu“-Ausruf

aus Berlin JENS KÖNIG

Dieser Tage hat GQ, Zentralorgan für alle Angelegenheiten des Mannes von Welt, herausfinden lassen, mit welchem Prominenten die Männer in Deutschland am liebsten tauschen würden. Platz 1: Franz Beckenbauer, Kaiser. Platz 2: Pierce Brosnan, James Bond der Jahre 1995 bis 2003. Platz 3: Gerhard Schröder, Bundeskanzler mit schlechtem Start in seine erste und zweite Amtszeit. Es hat in den letzten zehn Jahren mit Sicherheit kein vernichtenderes Urteil über den deutschen Mann an sich gegeben als diese Fachumfrage.

Was, bitte schön, könnte einen Mann mit, sagen wir, durchschnittlichem Aussehen und gesundem Menschenverstand daran reizen, eine Jahresauftakt-Pressekonferenz in Berlin zu geben, in der 250 Hauptstadt-Korrespondenten Fragen stellen, deren Antworten sie schon zu kennen glauben, und auf der man als Gerhard Schröder Antworten gibt, von denen man glaubt, dass die routiniert funktionierenden Journalisten sie mit einem „Oh, das war aber neu“ registrieren?

Andererseits, was reizt den echten Gerhard Schröder daran, dass er sich diese komische Veranstaltung sogar selbst aussucht? Bisher hat er in seiner Amtszeit als Kanzler nur Jahresend-Pressekonferenzen oder Sommerauftakt-Pressekonferenzen oder Zwischenbilanz-Pressekonferenzen abgehalten. Jetzt also an diesem Dienstagvormittag eine Jahresauftakt-Pressekonferenz, und das liegt ja vielleicht auch nahe, wenn man als Bundeskanzler schon zum zweiten Mal den Start seiner eigenen Regierung versaut hat und jetzt so tun muss, als beginne mit dem neuen Jahr auch ebendiese Regierung noch mal von vorn. So ungefähr wie 1999 nach Lafontaine. Das Schinden dieses Eindrucks ist natürlich umso wichtiger, wenn man 2003 einiges vorhat, in diesem „wichtigen Jahr weit reichender Reformanstrengungen“, wie der Kanzler sich gekonnt ausdrückt.

So gesehen hat für den echten Gerhard Schröder diese Veranstaltung einen ganz besonderen Reiz, der sich auf die Gerhard-Schröder-Tauschpartner möglicherweise ja doch überträgt. Es ging dem Kanzler ja auch runter wie Öl (Körpersprache: lässig, Mimik: nur nichts anmerken lassen), dass er die Journalisten immerhin dreimal zu einem „Oh, das war jetzt aber neu“-Ausruf bewegen konnte. Er sprach sich erstmals öffentlich für eine zweite UN-Resolution zum Irak aus, er unterstützte längere Inspektionen der UN-Waffenkontrolleure, und er beendete im Vorbeigehen die Neuverschuldungsdiskussion („keine reale Grundlage“), die sein Superminister Wolfgang Clement erst zwei Tage zuvor losgetreten hatte.

Der Rest war Feuilleton. Und der Beweis, dass der Kanzler der Ausgabe 2003 sich fest vorgenommen hat, wieder besser gelaunt zu sein. Selbst die Frage eines britischen Journalisten nach der angeblichen Krise in Schröders Ehe bewältigte dieser souverän. „Wie geht’s denn in Ihrer?“, fragte er zurück. Als der Reuters-Mann „Gut!“ geantwortet hatte, setzte der Kanzler zu einem kleinen Vortrag über Respekt vor der Intimsphäre von Politikern an, der in dem Bekenntnis gipfelte, dass es sehr wohl das Recht gebe, über das Privatleben von Politikern zu berichten. „Es gibt aber kein Recht zu lügen.“ Diesen Satz wird die Union nicht vergessen.

Wer jetzt immer noch nicht weiß, ob sich ein Tausch mit Gerhard Schröder lohnt – gemach, gemach. Der Kanzler hat gestern angekündigt, dass er möglicherweise auch für eine dritte Amtszeit kandidieren wird.